[Spoiler] Der bessere Hauptcharakter.

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      [Spoiler] Der bessere Hauptcharakter.

      Hallo Leute,

      ich habe in den letzten Tagen zum ersten Mal seit dem Release wieder Silent Hill: Downpour gespielt. Dabei ist mir einmal mehr aufgefallen, wie schlecht die Geschichte erzählt wird bzw. konstruiert wurde.

      Noch einmal zur Erinnerung ein paar Punkte:

      .Murphy begeht einen Mord aus Rache, an Pat Napier. Im Tutorial. Ohne dem Spieler zuvor Gründe zu geben, müssen wir eine uns unbekannte Person erstechen.
      .Murphy erwähnt im Gespräch mit J.P. Sater zwei Dinge:
      .- Er hätte niemals Kindern etwas angetan. Widerspricht direkt einem der Enden.
      .- Er hätte nur Personen wehgetan, die es verdient hatten. Widerspricht allen Enden, in denen er Frank Coleridge getötet hat.
      .Die Entscheidungen führen zu einem bestimmten Ende, haben aber überhaupt keine Auswirkungen in den unmittelbaren Situationen:
      .- Helfen wir Anne nicht am Abgrund, fällt sie. Entscheiden wir uns ihr zu helfen, fällt sie dennoch.
      .- Bestärken wir J.P. Sater darin zu springen, tut er genau dies. Wollen wir es verhindern, tut er es dennoch.
      .Die Entscheidungen verändern also basal nur den Charakter, den wir Murphy zuschreiben wollen: Wir sehen etwas gutes in ihm oder wir verkörpern den "Draufgänger". Murphy an sich ist eigentlich eine leere Hülle.
      .Manche Enden überschreiben aktiv Entscheidungen retrospektiv oder lassen sie sinnlos erscheinen.

      Wir haben mit Murphy also - unabhängig davon wie wir spielen und welches Ende wir erhalten - einen Mörder.Er hatte sich ein Ziel gesetzt und dies bereits erreicht, sein Ausflug nach Silent Hill folgt also dem Beispiel aus dem zweiten Teil: Person mit Dreck am Stecken (Dunkelheit in ihrem Herzen?) wird nach Silent Hill gerufen, um damit konfrontiert zu werden (wohlwollend formuliert, eigentlich geschieht nicht einmal dies).

      Ich bin der Meinung, dass Downpour ein besseres und interessanteres Spiel geworden wäre, wenn Anne Cunningham die Hauptperson gewesen wäre. Sie erwähnt in einer der Zwischensequenzen, dass auch sie - ähnlich wie Murphy - auf einer Reise durch ihre Form der Otherworld ist und "Silent Hill ihr Dinge gezeigt habe". Wie in Silent Hill 2 haben wir also mehrere Personen, die parallel zu einander ihre Version durchlaufen und eigene Erfahrungen machen.

      Anne glaubt, dass Murphy ihren Vater umgebracht hat und plant ebenfalls Rache zu nehmen. Dies ist allerdings zum Zeitpunkt des Spiels noch in der Umsetzung! Sie ist im Gegensatz zu Murphy keine Mörderin und Silent Hill hätte hier - als eine Art neuer Fassette - die Chance gehabt, sie durch das gewohnte "Spiegeln" des eigenen Unbewussten ihre Entscheidung überdenken zu lassen / zu bekräftigen. Murphy hätte Anne - ähnlich wie Cheryl/Harry Mason Cybil Bennett damals in die Welt mit hineingezogen hat - mit nach Silent Hill reißen können, wo wir dann IHRE Geschichte erleben. Wir hätten so tatsächlich gewichtige Entscheidungen für sie treffen können, während wir das Geheimnis um den Mord ihres Vaters aufklären. Bekommt sie vielleicht Zweifel? Hat sie wirklich die Kraft aus Rache zu Morden? Ist Murphy überhaupt der Mörder ihres Vaters? Es wäre zumindest ein etwas neuerer Spin gewesen, nicht einfach wieder eine Person mit Dunkelheit in sich zu rufen und zu einer Erleuchtung führen können, sondern wir hätten - wenngleich es durch Zufall geschieht - Anne durch die Manifestationen zu einem Urteil führen können. Ob dies letzten Endes richtig / gut / moralisch gewesen wäre, sei hier einmal vernachlässigt.

      Ich denke man hätte aus dieser Perspektive eine sehr viel spannendere und in sich schlüssigere Geschichte erzählen können. Der Spieler hätte keine Alibi-Entscheidungen treffen müssen, sondern hätte in einem Show-Down am Ende ultimativ enscheiden können, ob er genug Beweise für Murphys Schuld auf der Reise durch die Welt von Silent Hill gesammelt hat oder ob Anne Murphy nicht trotz des Mordes (sollte er ihn verübt haben) am Ende des Spiels vergibt. Murphys Charakter und seine Story haben mit dem Mord an Napier einen Stempel bekommen, der niemals wirklich berücksichtigt wird oder retroaktiv niemals geschehen ist, obwohl der Spieler selbst ihn verübt hat.

      Ich denke Vatra hat hier das Pferd rückwärts aufgezäumt und den Plot völlig falsch aufgezogen. Anne Cunninghams Geschichte ist die spannendere, die bessere.
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      Du hast dir ja echt Gedanken gemacht, ich habe DP nie gespielt und werde es auch niemals spielen. Ich stimme dir aber zu, dass es generell sehr interessant wäre, auch mal die Perspektiven der anderen Charaktere einnehmen zu können.

      Mfg, Samael.
      [glow]Kehre dein Innerstes nach außen und blicke in den Spiegel, kannst du den Anblick ertragen?[/glow]

      Das wäre sicher eine Neuheit in der Silent Hill Serie, war allerdings nicht das, was ich meinte.

      Die Producer von Silent Hill haben mit Homecoming und Downpour bewiesen, dass sie die Geschichten so kompliziert und verwirrend gestalten wie möglich - einfach um zu verwirren. Dies geschieht auf Kosten der Logik, ich würde ihnen zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht zutrauen ZWEI Geschichten von zwei Personen zu erzählen (zumindest welche, die Sinn ergeben).

      Ich meine sie hätten Murphy zu einem Nebencharakter machen sollen und Anne hätte von uns gespielt werden sollen.
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      Ich meinte das auch eher so, dass ich mir quasi mehr Szenarien wie Born from a Wish wünschen würde, dass man nach dem durch zocken auch die Storys aus der Sicht der Nebencharaktere spielen kann.

      Mfg, Samael.
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      Um mal wieder zu DP zurückzukommen ^^

      Toller Beitrag, Nobody! Er hat mich wieder mal dazu gebracht, genauer über das Game nachzudenken. In vielen Dingen stimme ich mit dir überein. Vielleicht erstmal die, mit denen ich nicht einverstanden bin:


      Nobody schrieb:


      wie schlecht die Geschichte erzählt wird bzw. konstruiert wurde.


      Schlecht konstruiert vielleicht, an manchen Stellen, schlecht erzählt würde ich nicht sagen. Dazu gleich mehr.


      Nobody schrieb:


      .Murphy begeht einen Mord aus Rache, an Pat Napier. Im Tutorial. Ohne dem Spieler zuvor Gründe zu geben, müssen wir eine uns unbekannte Person erstechen.


      Ich bin mir gerade nicht sicher, ob das ein Kritikpunkt oder einfach eine Feststellung von dir ist. Als Kritikpunkt würde ich es nicht sehen, auch wenn mir klar ist, dass man damit nicht einverstanden sein kann. Beim Gamedesign ist es vielen Entwicklern wichtig, dass der Spieler bemerkt, dass er Entscheidungsgewalt hat. Je weniger der Spieler das Gefühl hat, er werde gelenkt und gewaltsam in eine bestimmte Richtung gedrängt, desto genervter wird er bei Entwicklungen im Plot, mit denen er nicht einverstanden ist. Diese Szene aber gehört zu denen, die bewusst keine Entscheidungsfreiheit haben. Das ist bewusst von den Entwicklern eingebaut, um den Spieler zu Beginn direkt zu verstören: Sie geben uns einen scheinbaren Mörder an die Hand und zwingen uns dazu, jemanden zu töten (oder auch nicht, je nach Ending). Diese Entscheidung der Entwickler kann man gutheißen oder nicht. Ich finde diesen drastischen Schritt aber beachtlich, denn mich persönlich hat er sofort ins Spiel hineingezogen. Mir ist bewusst (und den Entwicklern wahrscheinlich auch), dass so eine Designentscheidung auch genau das Gegenteil bewirken kann.


      Nobody schrieb:


      .- Er hätte niemals Kindern etwas angetan. Widerspricht direkt einem der Enden.
      .- Er hätte nur Personen wehgetan, die es verdient hatten. Widerspricht allen Enden, in denen er Frank Coleridge getötet hat.


      Fair enough. Erstes Zitat ist auf den ersten Blick ein Widerspruch zum Execution-Ending, in dem Murphy seinen Sohn anscheinend umgebracht hat, zweites Zitat, wie du schon sagst, zu allen, in denen er Coleridge getötet hat (also außer Execution noch Full Circle). Das ist schon eine drastische Abweichung zu allen anderen Endings, die es in vorigen SH-Games nicht immer gab. Zum Vergleich SH2: James hat immer seine Frau getötet. Einmal kommt er drüber hinweg, einmal nicht und begeht Selbstmord, einmal nicht und klammert sich stattdessen an Mary-Ersatz Maria, einmal dreht er völlig durch und will sie wiederbeleben usw. Auch der Grund des Mordes variiert teilweise: Ein Mord aus Mitleid, ein Mord aus Hass (hab die passenden Endings gerade nicht parat). Das Grundprinzip ist dasselbe, der Ausgang etwas anders. Bei Downpour ist es nun so, dass sich zunächst mal das Execution-Ende drastisch von allen anderen unterscheidet, in denen er Charly kein Haar gekrümmt hat, und das bringt Komplikationen mit sich. Viele Dinge, die Murphy im Spiel gesagt hat, können dann nicht mehr als zutreffend erachtet werden - wie von dir im obigen Zitat festgestellt wurde. Für mich ist das jetzt aber kein "narrative flaw", eine Ungereimtheit, sondern ein Grund, das Spiel von Grund auf anders zu deuten. SHDP ist überwiegend keine Erzählung der Realitätsverweigerung. Murphy weiß noch, was mit Charly passiert ist, warum er Napier angegriffen hat und was aus Frank geworden ist. Er weiß es, aber der Spieler nicht. Murphy will es vielleicht verdrängen, schafft es aber nicht - er wird in der Otherworld damit konfrontiert und 'beichtet' es der Nonne schließlich, als der Druck zu groß wird. Anders ist das im Execution-Ending, das voraussetzt, dass Murphy dieses Mal verdrängt hat. In diesem Ending kopiert SHDP seinen Vorgänger SH2: James entgegnet im Gespräch mit Angela, dass er Mary nie gehasst hat ("Or maybe you hated her"; "Don't be ridiculous!"). Tatsächlich war es aber so. Ich finde, dass das Execution-Ending eben genau das vorhat: Das Spiel aus einem völlig anderen Blickwinkel zu zeigen, als Verdrängungsgeschichte. Ob es das gut macht, sei mal dahingestellt. Ähnliches gilt für das Full Circle Ending, nur wenn so manche Vorzeichen verdreht sind: Charly wurde von Napier ermordet, Frank von Murphy. Etwas verwirrend ist es tatsächlich, die Kritik also nicht unberechtigt.


      Nobody schrieb:


      Wir haben mit Murphy also - unabhängig davon wie wir spielen und welches Ende wir erhalten - einen Mörder.


      Darauf musst du nochmal genauer eingehen. Murphy tötet nämlich so weit ich weiß weder Frank noch Napier in bestimmten Handlungsverläufen und ist damit bei seiner Ankunft in SH kein Mörder.


      Nobody schrieb:


      .Die Entscheidungen führen zu einem bestimmten Ende, haben aber überhaupt keine Auswirkungen in den unmittelbaren Situationen:
      .- Helfen wir Anne nicht am Abgrund, fällt sie. Entscheiden wir uns ihr zu helfen, fällt sie dennoch.
      .- Bestärken wir J.P. Sater darin zu springen, tut er genau dies. Wollen wir es verhindern, tut er es dennoch.
      .Die Entscheidungen verändern also basal nur den Charakter, den wir Murphy zuschreiben wollen: Wir sehen etwas gutes in ihm oder wir verkörpern den "Draufgänger". Murphy an sich ist eigentlich eine leere Hülle.
      .Manche Enden überschreiben aktiv Entscheidungen retrospektiv oder lassen sie sinnlos erscheinen.


      Stimme dir hier völlig zu, in allen Punkten, weshalb ich nicht mehr auf jeden einzelnen eingehe. Die Entscheidungsszenen sind eine einzige Farce und schlecht konstruiert.


      Noch einmal zu der Sache mit Anne: Sicherlich ist sie eine interessante Figur und hätte mit Sicherheit auch besser ausgearbeitet werden können. Ob sie nun als Hauptfigur taugt, bezweifle ich ebenso wie der Gedanke, Angela zur Hauptfigur von SH2 zu machen. Sie sind nicht umsonst Nebenfiguren: Ihre Persönlichkeiten sind zu eindimensional. So wie Angela permanent nur depressiv ist und Eddie nur verrückt, ist Anne lediglich von einem Gedanken beseelt: Ihren Vater zu rächen. Solche Hauptfiguren sind eher platt und unzugänglich. Nehmen wir James als Gegenpol: Er ist ein verzweifelter Mann, trauernd und trotzdem stark, blickt nach vorne, begibt sich in die Hölle, nur um seine Frau zu suchen, lehnt Eddies Gewalt ab, fügt aber selbst Gewalt zu usw. - er ist vielschichtig. Auch Murphy ist kein platter Charakter. Er handelt einmal aus Rache, indem er Napier auflauert und ihn brutal misshandelt/tötet, hat trotzdem einen guten Draht zu Frank, einem Wärter. Obwohl er in gewissem Maße Dreck abstecken hat, verfolgt er klare Ideale: Gewalt an Kindern geht gar nicht, weshalb er auch Sater nicht bemitleiden kann. Murphy gibt von allen Charakteren im Spiel schlichtweg am meisten her. Ich stelle es mir zumindest eintönig vor, einen durchweg depressiven (Angela) oder verhassten (Anne) Hauptcharakter zu steuern, die keine anderen Gefühlsregungen zeigen.
      Ich bin mir gerade nicht sicher, ob das ein Kritikpunkt oder einfach
      eine Feststellung von dir ist. Als Kritikpunkt würde ich es nicht sehen,
      auch wenn mir klar ist, dass man damit nicht einverstanden sein kann.
      Beim Gamedesign ist es vielen Entwicklern wichtig, dass der Spieler
      bemerkt, dass er Entscheidungsgewalt hat. Je weniger der Spieler das
      Gefühl hat, er werde gelenkt und gewaltsam in eine bestimmte Richtung
      gedrängt, desto genervter wird er bei Entwicklungen im Plot, mit denen
      er nicht einverstanden ist. Diese Szene aber gehört zu denen, die
      bewusst keine Entscheidungsfreiheit haben. Das ist bewusst von den
      Entwicklern eingebaut, um den Spieler zu Beginn direkt zu verstören: Sie
      geben uns einen scheinbaren Mörder an die Hand und zwingen uns dazu,
      jemanden zu töten (oder auch nicht, je nach Ending). Diese Entscheidung
      der Entwickler kann man gutheißen oder nicht. Ich finde diesen
      drastischen Schritt aber beachtlich, denn mich persönlich hat er sofort
      ins Spiel hineingezogen. Mir ist bewusst (und den Entwicklern
      wahrscheinlich auch), dass so eine Designentscheidung auch genau das
      Gegenteil bewirken kann.
      Zunächst war es nur eine Feststellung, wenn ich jetzt allerdings noch einmal darüber nachdenke, dann würde ich es eher als negativ ansehen. Die Szene hat bei mir dafür gesorgt, dass es direkt zu Beginn des Spiels zu einer großen Kluft zwischen mir und Murphy gekommen ist. Das restliche Spiel stand ich ihm deshalb ziemlich gleichgültig gegenüber, seine Geschichte hat mich nicht mehr bewegt und die wenigen Emotionen, die wir von ihm miterleben dürfen, haben bei mir keine Regeung mehr verursacht.
      Fair enough. Erstes Zitat ist auf den ersten Blick ein Widerspruch zum
      Execution-Ending, in dem Murphy seinen Sohn anscheinend umgebracht hat,
      zweites Zitat, wie du schon sagst, zu allen, in denen er Coleridge
      getötet hat (also außer Execution noch Full Circle). Das ist schon eine
      drastische Abweichung zu allen anderen Endings, die es in vorigen
      SH-Games nicht immer gab. Zum Vergleich SH2: James hat immer seine Frau
      getötet. Einmal kommt er drüber hinweg, einmal nicht und begeht
      Selbstmord, einmal nicht und klammert sich stattdessen an Mary-Ersatz
      Maria, einmal dreht er völlig durch und will sie wiederbeleben usw. Auch
      der Grund des Mordes variiert teilweise: Ein Mord aus Mitleid, ein Mord
      aus Hass (hab die passenden Endings gerade nicht parat). Das
      Grundprinzip ist dasselbe, der Ausgang etwas anders. Bei Downpour ist es
      nun so, dass sich zunächst mal das Execution-Ende drastisch von allen
      anderen unterscheidet, in denen er Charly kein Haar gekrümmt hat, und
      das bringt Komplikationen mit sich. Viele Dinge, die Murphy im Spiel
      gesagt hat, können dann nicht mehr als zutreffend erachtet werden - wie
      von dir im obigen Zitat festgestellt wurde. Für mich ist das jetzt aber
      kein "narrative flaw", eine Ungereimtheit, sondern ein Grund, das Spiel
      von Grund auf anders zu deuten. SHDP ist überwiegend keine Erzählung der
      Realitätsverweigerung. Murphy weiß noch, was mit Charly passiert ist,
      warum er Napier angegriffen hat und was aus Frank geworden ist. Er weiß
      es, aber der Spieler nicht. Murphy will es vielleicht verdrängen,
      schafft es aber nicht - er wird in der Otherworld damit konfrontiert und
      'beichtet' es der Nonne schließlich, als der Druck zu groß wird. Anders
      ist das im Execution-Ending, das voraussetzt, dass Murphy dieses Mal
      verdrängt hat. In diesem Ending kopiert SHDP seinen Vorgänger SH2: James
      entgegnet im Gespräch mit Angela, dass er Mary nie gehasst hat ("Or
      maybe you hated her"; "Don't be ridiculous!"). Tatsächlich war es aber
      so. Ich finde, dass das Execution-Ending eben genau das vorhat: Das
      Spiel aus einem völlig anderen Blickwinkel zu zeigen, als
      Verdrängungsgeschichte. Ob es das gut macht, sei mal dahingestellt.
      Ähnliches gilt für das Full Circle Ending, nur wenn so manche Vorzeichen
      verdreht sind: Charly wurde von Napier ermordet, Frank von Murphy.
      Etwas verwirrend ist es tatsächlich, die Kritik also nicht unberechtigt.
      Ich sehe hier den Unterschied zu Silent Hill 2 darin, dass wir durch unsere Spielweise (Foto anschauen, Messer betrachten, keine Heiltränke verwenden, etc.) zu der späteren "Interpretation" (Mord aus Mitleid oder Selbstsucht: Ich glaube es war beides vorhanden!) und die Enden beitragen. Bei Downpour kann ich zwei Durchläufe identisch durchspielen und kann durch eine marginale Änderung, z.B. das Erreichen eines positiven Karmas, weil ich ein Monster weniger getötet habe, die gesamte Message nachträglich ändern. Ich setze hier nicht nach und nach das Mosaik zusammen und verstehe die Geschichte, sondern ich konstruiere mir etwas und am Ende kommt eine Szene, die mir dann zeigt wo ich überall falsch lag und was "real" war und was nicht. Silent Hill 2 hat mir nie gesagt: Ach ja, die Stelle X oder Y die du da vorhin gespielt hast, war gar nicht so. Ich möchte allerdings gar nicht so auf Silent Hill 2 rumreiten, ich finde die Herangehensweise in Downpour nicht sonderlich gut, unabhängig davon, wie es in anderen Silent Hill Teilen gehandhabt wurde. Teil 2 war ja auch nicht ohne berechtigte Kritikpunkte.

      Meine Kernaussage ist einfach, dass eine Szene aus sich selbst heraus bzw. durch einen Story-Verlauf eine Bedeutung haben soll und nicht drei alternative Interpretationen, die in Abhängigkeit vom Ende dann "gezogen" werden. Das finde ich einfach unmöglich.
      Darauf musst du nochmal genauer eingehen. Murphy tötet nämlich so
      weit ich weiß weder Frank noch Napier in bestimmten Handlungsverläufen
      und ist damit bei seiner Ankunft in SH kein Mörder.
      Ich habe jetzt gerade noch einmal nachgeschaut und Murphy hat Napier nur im Ending A nicht getötet. In allen anderen Enden schon (also 5 von 6? 4 von 5?). Anscheinend hat Murphy, insofern man Ending A "Forgiveness" erreicht, lediglich davon geträumt Napier getötet zu haben, auch wenn er ihn nie getötet hat. Das finde ich an sich schon seltsam, aber mein Hauptpunkt bleibt bestehen: Die Traumsequenz mit Napier ist zunächst ein Papaufsteller, ob die Szene nur wirklich nur ein Traum oder tatsächlich passiert ist, wird durch ein Ende 12 Spielstunden später definiert. Das darf in meinen Augen einfach nicht sein.

      JayJay schrieb:

      Noch einmal zu der Sache mit Anne: Sicherlich ist sie eine interessante Figur und hätte mit Sicherheit auch besser ausgearbeitet werden können. Ob sie nun als Hauptfigur taugt, bezweifle ich ebenso wie der Gedanke, Angela zur Hauptfigur von SH2 zu machen. Sie sind nicht umsonst Nebenfiguren: Ihre Persönlichkeiten sind zu eindimensional. So wie Angela permanent nur depressiv ist und Eddie nur verrückt, ist Anne lediglich von einem Gedanken beseelt: Ihren Vater zu rächen. Solche Hauptfiguren sind eher platt und unzugänglich. Nehmen wir James als Gegenpol: Er ist ein verzweifelter Mann, trauernd und trotzdem stark, blickt nach vorne, begibt sich in die Hölle, nur um seine Frau zu suchen, lehnt Eddies Gewalt ab, fügt aber selbst Gewalt zu usw. - er ist vielschichtig. Auch Murphy ist kein platter Charakter. Er handelt einmal aus Rache, indem er Napier auflauert und ihn brutal misshandelt/tötet, hat trotzdem einen guten Draht zu Frank, einem Wärter. Obwohl er in gewissem Maße Dreck abstecken hat, verfolgt er klare Ideale: Gewalt an Kindern geht gar nicht, weshalb er auch Sater nicht bemitleiden kann. Murphy gibt von allen Charakteren im Spiel schlichtweg am meisten her. Ich stelle es mir zumindest eintönig vor, einen durchweg depressiven (Angela) oder verhassten (Anne) Hauptcharakter zu steuern, die keine anderen Gefühlsregungen zeigen.
      Ich würde hier Anne und Angela gar nicht in einen Topf werfen, aber ich denke nicht, dass wir sie nicht generell als potentiellen Protagonisten ablehnen sollten. Die Persönlichkeiten sind "eindimensional", wie du es nennst, aber doch nur eben WEIL sie Nebencharaktere sind. Als Hauptcharakter wären sie dann (hoffentlich) facettenreicher beschrieben. Ich kann auch nicht zustimmen, dass Anne nur Rachegedanken hegt und deshalb platt oder unzugänglich ist. In der Szene am Grund des Devil's Pit z.B. findet sie Polizeimarke ihres Vaters in Murphys Hosentasche und schwenkt hier emotional doch sehr um. Ich muss sogar gestehen, dass ich hier mehr Emotionen von ihr sehe, als von Murphy während des gesamten Spiels. Sie ist natürlich in erster Linie auf Rache aus, aber in dieser Szene können wir genau Trauer, Verzweiflung und emotionale Überforderung sehen - dass dieses Rache-Thema doch viel komplexer sein _könnte_. Sie möchte Rache nehmen, ist dann aber nicht stark genug. Entschuldigt sich bei ihrem Vater, schickt Murphy weg. Die ganze Szene lässt Anne für mich um ein vielfaches tiefgründer erscheinen als Murphy, auch wenn sie ansonsten zugegebener Maßen immer der "harte Bulle" ist - was recht monoton und langweilig ist.

      Diesen inneren Kampf von Anne hätte man in meinen Augen zu einem guten Hauptthema des Spiels machen können, indem sie zwischen verschiedenen Stadien der Emotionen wandert. Zunächst ist sie vielleicht nur auf Rache aus, dann lernt sie in Silent Hill Murphy eventuell besser kennen. Er rettet sie vor dem Abstuz in das Loch, sie sieht die menschliche Seite des mutmaßlichen Möders. Am Ende rafft sie sich vielleicht auf und versucht tatsächlich ihn zu töten... oder aber es kommt ganz anders, wie so oft in Silent Hill: Sie entdeckt, dass er gar nicht der Möder ist und nur zu falschen Zeit am falschen Ort war.

      Ihr müsst in meinen Augen etwas davon wegkommen, die Charaktere schlicht so zu sehen, wie sie letztendlich in Downpour dargestellt wurden, sondern dies vielmehr als Basis zu nehmen und selber daraus etwas entstehen zu lassen. Anne wird von einigen als eindimensional gesehen, dass muss sie aber doch nicht sein! Der Thread ist doch sowieso sehr hypothetisch, so... :)
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      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „Nobody“ ()

      Dass es nur marginale Unterschiede in jedem Spieldurchlauf sind, die dann zu einem komplett anderen Ending führen, ist richtig und ich sehe es genau wie du problematisch. Vatra hat es sich da zu leicht gemacht, wollte wie die Vorgänger alternative Endings anbieten und hat das nur schludrig umgesetzt. Es ist schon etwas anderes, wie z.B. in SH2 das gesamte Verhaltensmuster von James auszuwerten, um dann auf ein bestimmtes Ending zu kommen.

      Was die Endings angeht: Napier tötet er weder im Forgiveness noch im Truth and Justice Ending (Zitat von Sewell jeweils: "I serve him [Napier] to you like a fucking christmas goose and you can't even finish the job."). Er "träumt" auch nicht davon, zumindest habe ich das nicht so in Erinnerung. Vielmehr spricht er nicht darüber. Das ist das, was ich oben schon geschrieben habe: Der Spieler weiß mehr als Murphy. Wir gehen davon aus, dass er ihn getötet hat, aber erst später erfahren wir, dass er es gar nicht war, sondern dass er ihn nur brutal zugerichtet hat, Sewell ihm dann den Rest gegeben hat. Kurz zu den anderen Endings: Im Reversal Ending können wir es nicht sagen, weil Anne Murphy erschießt und wir die Wahrheit nicht herausfinden. Auch im Full Circle Ending erfahren wir nur, dass er Frank getötet hat - von Napier wird kein Ton gesagt, also bleibt es unklar. Im Execution-Ending tötet er natürlich alle. Das Surprise-Ending lass ich mal außen vor. Von daher tötet er Napier schon mal in zwei Endings nicht, im Execution-Ending definitiv und in den anderen wird Napier zumindest nicht mehr erwähnt. Was ich persönlich daraus ziehe, ist, dass Murphy in den glücklich ausgehenden Endings kein Mörder ist.


      In der Szene am Grund des Devil's Pit z.B. findet sie Polizeimarke ihres Vaters in Murphys Hosentasche und schwenkt hier emotional doch sehr um.


      Stimmt, die Szene hatte ich gerade nicht auf dem Schirm. Mal davon abgesehen würde eine Frau als Hauptfigur der SH-Reihe vielleicht mal wieder gut tun. Falls es je nochmal einen Teil geben sollte :P
      Hier ist der Link zum Forum der Silent Hill Community: LINK.
      Im letzten Post der ersten Seite schreibt Tomm Hulett, der Produzent von Downpour, dass Murphy Napier in jedem Ende getötet hat, außer Ending A "Forgiveness".

      Die Idee mit dem Traum kam mir, weil Murphy unmittelbar nach dem Mord an Napier in seiner Zelle aufwacht und wie von einem Albtraum geplagt vom Kissen hochschreckt.
      Glaube der Gedanke ist nicht abwegig, dass Vatra genau das vermitteln wollte: Könnte ein Traum gewesen sein, was du gerade gespielt hast. Einer der Momente, die in meine Augen zu dem eingangs erwähnten schlechten Erzählstil gehört. :(
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      Ja, das mit dem Traum klingt jetzt wirklich nicht mehr so abwegig.
      Nur was Hulett in diesem Forum schreibt verwirrt mich, denn (an 1:45):

      Silent Hill Downpour - Ending B - TRUTH AND JUSTICE [6 of 6] - YouTube

      ...er tötet ihn nicht. Kennt Hulett sein eigenes Spiel nicht? :P
      Oder was hat es mit dem Zitat "regardless of what the ps3 version tells you" auf sich?


      Edit:

      Kleines Fazit: Trotz dieser Ungereimtheiten halte ich SHDP für ein gelungenes Game. Klar gibts technische Probleme und die Designschwächen im Spiel sind nicht gerade marginal. Ich finde trotzdem, dass es ein solides Game mit einer Bombenatmosphäre -soundtrack und guten Storyansätzen ist. Anders als Homecoming. Steigerung: 200% :D
      Auf der zweiten Seite des von mir weiter vorne verlinkten Threads mit Tomm Hulett, sagt dieser weiter: Es gab einen Fehler bei der Programmierung. Im Ending B erscheint eine falsche Szene (nur bei der PS3?!). Deshalb ist seine Aussage doch korrekt.

      Downpour ist eine deutliche Steigerung, konnte bei mir aber auch gerade wegen Homecoming ziemlich punkten. Aber in diesem Thread ging es mir eigentlich nicht primär darum, Downpours Fehler aufzuzeigen oder die Story weiter zu zerpflücken. Ich habe mich nur dieser Punkte bedient, um meinen Alternativvorschlag zu untermauern. Ich bin nämlich immer noch der Meinung, man hätte aus Annes Geschichte ein Spiel machen können, welches noch mehr "Silent Hill" ist.
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      Ah, verstehe. Ist natürlich ziemlich peinlich für Vatra, dass auf der PS3 die falsche Szene gezeigt wird :D
      Ich stimme dir aber auch in den meisten Punkten zu. Alles in allem ist Downpour nicht das perfekte Spiel, es kränkelt an vielen Ecken und Enden. Insgesamt finde ich es aber ziemlich gelungen, besonders wenn man es mit dem Vorgänger vergleicht - du sagst es ^^

      Die Idee, Anne zur Hauptfigur zu machen, ist zumindest eine interessante und ich hab ja weiter oben auch geschrieben, dass eine weibliche Hauptfigur mal wieder ganz gut täte bzw. gut getan hätte, da ja unklar ist, ob es mit Silent Hill überhaupt noch mal weitergehen wird.

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