Silent Hill Kurzgeschichten Wettbewerb

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    Silent Hill Kurzgeschichten Wettbewerb

    Hallo an alle Teilnehmer!

    Hier werden eure fertigen Storys reingepostet. Bitte beachtet folgendes:

    - maximal 5 Seiten!
    - Story an einem Stück posten, keine Teile

    Ansonsten freu ich mich auf einen Haufen Kreativität auf einem Fleck :D
    Führt euch die Bewertung im Planungsthread zu gemüte, denkt euch ein Thema aus und los gehts ;)

    Einsendeschluss ist bekanntlich der 1. September 2008


    Los gehts, der Silent Hill Kurzgeschichten Wettbewerb ist hiermit eröffnet :nicken:
    Eine Legende

    Die Flure des Krankenhauses waren weiß und es roch nach Desinfektionsalkohol. Carrol irrte verzweifelt durch die Gänge. Ihr bordeauxroter Mantel und ihr lockiges blondes Haar waren vom starken Regen völlig durchnässt. ,,Kann ich Ihnen weiterhelfen Mam?" Die Krankenschwester brachte für einen kleinen Moment Ruhe in Carrols verwirrte Situation. ,,Ich... ich suche meinen Ehemann, John Murphy. Das Krankenhaus hat mich angerufen und gesagt er sei eingeliefert worden." Die Schwester konnte die Angst in Carrol riechen und antwortete mit freundlicher
    und beruhigender Stimme: ,,Setzen Sie sich erst mal Mrs. Murphy. Ich erkundige mich und bin sofort wieder zurück." Carrol saß sich wie betäubt auf der lindgrünen Wartebank. Lindgrün. Normalerweise eine sehr langweilige und unauffällige Farbe, aber im Vergleich mit dem alabastaweißen Krankenhausflur stach sie heraus. Carrol versuchte die Ruhe zu bewahren. Tausende Gedanken ginden durch ihren Kopf: ,,Ganz ruhig Carrol. Es ist bestimmt nichts schlimmes. Vieleicht ein kleiner Autounfall mit Blechschaden und Schleudertrauma, oder geprellte Knochen.
    Nach einem Unfall wird man zur Sicherheit immer ins Krankenhaus gefahren. Ja immer. Auch wenn man am Unfallort stirbt. Nein. Das darfst du nicht denken. Er ist nicht tot. Du regst dich nur unnötig auf." ,,Mrs. Murphy?" Carrol starrte auf den jungen Mann im weißen Kittel. Er war groß, schmächtig und seine smaragdgrünen Augen stachen aus dem blassen Gesicht mehr heraus, als sein pechschwarzes kurzes Haar. ,,Ich bin Dr. Kaufmann. Ihr Mann befindet sich auf der Intensivstation und wird gerade notoperiert." Carrol war wie gelähmt. ,, Was ist passiert?", ,,Das wissen wir nicht genau. Ein Tier muss ihn angefallen und gebissen haben. Ich vermute, dass es ein tollwütiger Wolf war oder ein Grizzlybär. Dabei hat es seine Arterie im Oberschenkel erwischt. Er hat viel Blut verloren." ,,Wo hat man ihn gefunden,Dr.?" erwiederte Carrol. Dr. Kaufmann antwortete: ,,Er wurde von einem Trucker auf der Hauptstraße gefunden. Direkt neben dem Wald. Es sieht nicht gut für ihn aus Mrs. Murphy." Seine Stimme klang kalt und mitleidlos. Dass John jeden Tag von seiner Arbeitsstelle in Brams auf dieser Straße
    nach Hause fährt, wusste Carrol. ,,Die Schwester bringt Sie ins Wartezimmer der Intensievstation." Carrol zitterte vor Angst am ganzen Körper. Obwohl sie ihren dicken Mantel anhatte, wurde ihr immer kälter. Das Zittern verging auch nicht als sie sich auf einen Stuhl im Warteraum der Intensivstation setzte.
    Stunde um Stunde verging und die Unruhe in Carrol stieg. Die Krankenschwester betrat den Warteraum. Sie hatte einen Becher mit Kammillentee in ihrer Hand. ,,Hier, bitte. Kann ich noch irgendetwas für sie tun?" Die Schwester war besorgt um Carrol, da sie kreidebleich war und wie hypnotisiert die weiße Wand anstarrte. Sie versuchte sie etwas abzulenken:,,Wohnen Sie und
    ihr Mann schon lange in Silent Hill?" ,,Nein wir sind vor drei Monaten aus New York hier her gezogen." Carrol lächelte etwas dann fuhr sie fort: ,,Wir wollten in eine Kleinstadt ziehen, weil New York nicht gerade die sicherste Stadt ist und jetzt das. Ironie des Schicksals, oder?" Sie starrte immernoch die Wand an. Es war ihr ein Rätsel warum ihr Mann am Straßenrand gefunden wurde. Warum hatte er angehalten und das Auto verlassen? Carrol nibbte an dem warmen Tee, doch sie spürte nur die Kälte die durch ihren Körper glitt. Plötzlich ging die Tür auf und
    ein älterer Arzt betrat den Raum. ,,Mrs. Murphy." seine stimme hörte sich sehr traurig an ,, Es tut mir leid.. aber John hat es nicht geschaft. Er ist tot." Der Becher mit dem Tee fiel Carrol aus der Hand und fiel auf den Boden. Sie stand auf und plötzlich wurden ihre Knie weich. Alles schien sich zu drehen und ihr wurde schwarz vor Augen. ,,Mrs. Murphy!..Mrs. Murphy, hören sie mich?"

    Carrol schloss die Augen auf. Sie fühlte sich benommen. Ihr Schädel dröhnte und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Was war passiert? Hatte sie geträumt? Eine Krankenschwester legte ihr eine Kochsalzinfusion. ,,So Mrs. Murphy gleich geht es ihnen etwas besser." Nein, es war kein Traum. John war tot und sie hatte einen Kreislaufzusammenbruch. ,,Ich möchte zu meinemm Mann." Die Schwester schwieg. Sie wusste nicht was sie daraufhin antworten sollte. "Bitte, ich möchte John noch ein letztes Mal sehen.",,Zuerst die Infusion, dann sehen wir weiter." Verbittert sagte Carrol: "Lassen sie mich bitte allein" ,,Natürlich" antwortete die Krankenschwester und verlies den Raum. Körperlich fühlte sich Carrol niedergeschlagen, doch sie wollte John unter allen Umständen noch ein letztes Mal sehen. Es war ihr nicht möglich, sich zu beruhigen. Sie riss den Infusionsschlauch aus ihrem Arm. Ein leichtes Ziehen in der Vene, dann stieg sie aus dem Krankenbett, holte eine Kompresse aus der Schublade und drückte diese an die blutende Stelle. Bevor sie sich auf den Krankenhausflur begab, blickte sie vorsichtig auf den langen weißen Gang heraus um sicherzugehen, dass sie niemand bemerkte. Sie schreitete den Flur entlang, bis sie auf eine bunte Beschilderung traf. Dort stand mit einem schwarzen, nach rechts zeigenden Pfeil markiert: ,,Autopsie". Sie folgte der Beschilderung. Sie verhielt sich dabei so unauffällig wie möglich. Carrol gelangte zu einem Aufzug. ,,Autopsieräume B2" stand auf dem Schild neben dem Aufzug. Mit einem Knopfdruck rief sie den Aufzug. Im Aufzug bemerkte Carrol, dass ein Schlüssel neben der Aufzugstastatur steckte. Dieser Schlüssel schaltet dem Lift alle Stockwerke frei. Das wusste Carrol. Jetzt konnte sie ohne Probleme in das zweite Untergeschoss gelangen. Sie drückte Taste "B2". Als sich die Fahrstuhltür wieder öffnete, spürte Carrol die Kälte. Der Boden und die Wände waren mit Kacheln gefließt. Jetzt bemerkte sie erst,
    dass sie gar keine Schuhe anhatte. Außerdem hatte sie nur einen Kittel an, der nur bis zu ihren Knien reichte. Es war ein kleiner Gang, der zu acht Räumen führte.
    Drei davon waren Autopsieräume.Plötzlich hörte sie Schritte. Carrol wusste, dass sie jetzt schnell handeln musste, wenn sie John noch einmal sehen wollte. Eine Bahre befand sich neben der Wand. Sie legte sich auf sie, bedeckte ihren Körper mit dem Leinentuch und versuchte leide zu atmen, was ihr nicht leicht fiel. Stimmen hallten durch den Gang:,,Boah Sam, hast du den Typen gesehen,
    den sie runter gebracht haben. Mann sowas hab ich noch nie gesehen. Ich konnte gar nich lange hinsehen, so eklig war das." ,,Ja Alter. Den hat's echt übel erwischt. Und diese Flecken auf seinem ganzen Körper. Aber hey! Kaufmann hat gesagt wir sollen unter allen Umständen die Schnauze halten und besonders du Jeff." Die beiden jungen Männer gehörten zum Pflegepersonal.
    ,,Hat er auch gesagt warum?" Sam antwortete: ,, Nein Mann, keine Ahnung. Wir haben den Kerl ja nur zufällig gesehen. Das heißt wir hätten das nie sehen sollen. Aber Kaufmann sagte, dass wir unsere Jobs verlieren, wenn wir zwitschern." ,,Na dann sagen wir auch nichts" erwiederte Jeff. ,,Jetzt ist endlich Wochenende, Alter." Jeff drückte auf die Aufzugtaste. ,,Hey Sam, heute is 'ne Party bei Maggy. Ihre Eltern sind nich da und sie hat jede Menge Alk. Hast du Bock mitzukommen?", ,,Jo, wird bestimmt abgehen." Jeff wurde wütend: ,,Dieser beschissene Aufzug... Komm schon du Mistding!", ,,Scheiße Jeff! Da is 'ne Leiche." Jeff sah die Bahre nicht, da er mit dem Rücken zu Ihr stand und er wollte sich auch nicht umdrehen. Stattdessen sagte er wütend zu Sam: ,, Mann das ist 'ne Leichenhalle. Hast du wieder die Pillen gefressen? Vieleicht wäre es nicht schlecht wenn sie dich feuern, dann würdest du nicht so leicht an die ganzen Drogen rankommen!" Sam sagte aufgebracht: ,,Nein Mann, hinter dir!" Jeff drehte sich um. Carrol konnte hren wie sie immer näher kamen. Sie schloss ihre Augen und versuchte so flach und leise zu atmen wie ihr möglich war. ,,Traust du dich?" ,,Hör auf Jeff! Der Kerl davor hat mir schon den Rest gegeben. Wenn darunter noch so'n ausgesaugter Zombie liegt, dann kotz ich." sagte Sam ängstlich. Jeff fing an zu lachen:,,Du Feigling... OK ich machs." Er zog zog die Decke weg. Carrols Herz schlug so laut, dass sie es selber hören konnte. Beide Männer schwiegen und starrten auf Carrol. Sie hielten sie für tot. ,, Die arme Junge Frau", Jeff erwiederte:,,Komm wir gehen. Der Aufzug ist da." Jeff deckte Carrol wieder zu.
    Die jungen Männer stiegen in den Lift. Carrol stieg von der Liege und ging zum ,,Autopsieraum 1". Als sie den Raum betrat, bemerkte Carrol, dass sich nur ein Leichnam in dem Raum befand. Er lag auf einer Bahre und war mit weißen Leinentuch bedeckt. Carrol schreitete näher an die tote Person heran. Zuerst traute sie sich nicht, doch dann zog sie die Decke in einemmal weg. Es war ein fürchterlicher Anblick. Sie tat Mühe sich nicht zu übergeben. Der Gesicht der Leiche war schlimm entstellt und nicht wiederzuerkennen. An einigen Stellen des Körpers
    sah man riesige Bisswunden. Der Leichnam wies einige Bisswunden auf und seltsamerweise roch es nach Schwefel. Der tote sah wie ausgesaugt aus. Plötzlich war Carrol wie gelähmt, als sie die Tätowierung an seinem linken Oberarm bemerkte. Ein ein kleines Herz mit der Innschrift ,,Carrol". Es war John. ,,Ohmein Gott", Sie brach in Tränen aus. Es fühlte sich wie ein Kloß in ihrem Hals an,
    der zu Zemment erstarren schien. Was war nur passiert? Plötzlich hörte sie, wie sich die Tür öffnete: ,,Mrs. Murphy? Was machen Sie hier?" Es war Dr. Kaufmann. Carrol schluchze: ,,Was ist mit John passiert?" , Kaufman erwiederte: ,,Das habe ich ihnen doch schon gesagt. Ein Tier hat ihn angefallen." ,,Und was ist mit den Brandnarben und diese völlige Entstellung seines Körpers? Was für ein Tier soll das gewesen sein?" Carrol zeigte auf die Leiche Ihres Ehemannes John. ,, Das Weiß ich nicht. Kommen Sie Mrs. Murphy, ich bringe Sie auf Ihr Zimmer. Sie müssen sich jetzt erstmal...." ,,Nein!", unterbrach ihn Carrol ,,Ich möchte nach Hause!" Dr. Kaufmann erwiederte kalt: ,, Na gut. Wenn Sie das möchten. Sie können gehen, aber auf eigene Verantwortung.", ,,Ja ich möchte das." An der Rezeption unterschrieb Carrol einige Formulare und ließ sich ein Taxi rufen.

    3 Tage später:

    Carrol war noch immer wie gelähmt, aber sie verlies zum ersten Mal seit drei Tagen das Haus. Sie musste zum Rathaus, um sich um John's Überführung nach New York zu kümmern, da sie nicht wollte, dass er in Silent Hill beerdigt wird. Immerhin wohnten John und sie noch nicht lange hier. Vor drei Monaten hatten sie sich das kleine gemütliche Haus, in der nähe des Sees gekauft. Carrol stand im Garten und sah sich um. Es war ein warmer Herbstmorgen, die Blumen blühten noch und man konnte die Vögel zwitschern hören. Es war 8 Uhr morgen und ihr stieg der Geruch von nassem Laub in die Nase, da es die letzten drei Tage ununterbrochen geregnet hat. Wie aus dem Nichts hörte Carrol eine Stimme: ,,Ihren Mann hat er also auch getötet." Carrol drehte sich um. Es war Mrs. Gordon. Die alte Dame sah Carrol düster an. Trotz der ernsthaften Mine, konnte man ihr Mitgefühl für Carrol erkennen. ,,Ein Tier hat Ihn gebissen.", entgegnete Carrol. ,,Nein Mrs. Murphy. Glauben Sie mir, es war kein Tierbiss. Hat man Ihnen das im Krankenhaus erzählt? Die stecken doch alle unter einer Decke.", erwiederte die alte Dame. ,,Hören Sie auf!", Carrols Stimme klang aggressiv. Sie wollte das dumme Geschwätz der alten Frau nicht hören. Diese hörte aber nicht auf, Carrol überzeugen zu wollen: ,,Ich habe gehört, dass ein Trucker ihn gefunden hat. Haben sie mit ihm gesprochen?" Carrol fing an zu weinen und wurde noch wütender: ,,Lassen Sie mich in Ruhe!"
    Sie lief wieder ins Haus.

    Den ganzen Nachmittag über, lag Carrol in ihrem Bett und dachte an längst vergangene Zeiten. Sie blickte zurück auf die Zeit, in der sie John kennenlernte. Es war auf der Geburtstagsfeier einer Freundin. Bei beiden war es Liebe auf den ersten Blick. Damals war alles perfekt. Bis vor drei Tagen war sie glücklich. Es klingelte an der Tür. Carrol hoffte, dass es nicht die alte Mrs. Gordon war, obwohl sie dies stark vermutete. Sie blieb liegen. Alles schien ihr egal zu sein, doch es hörte nicht auf zu klingeln. Carrol sah ein, dass es keine andere Möglichkeit gab, die Tür zu öffnen, da die Person nicht eher verschwinden würde. Als sie die Tür öffnete, erkannte Carrol, dass es nicht Mrs. Gordon war, sondern ein fremder junger Mann. Seine halblangen, blonden Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden und er hatte eine auffällige vertikale Narbe unter seinem linken Auge. ,,Was wollen Sie?", fragte Carrol mit gereizter Stimme. Der junge Mann sah aus als hätte er einen Geist gesehen. ,,M..M...Mrs. Murphy? Sind Sie... Mrs. Murphy? Aber Sie sind doch tot." Nun erkannte Carrol seine Stimme. Es war Sam der Pfleger. ,, Ich habe mich tot gestellt, weil ich meinen Mann sehen wollte." Beide sahen sich kurze Zeit in die Augen und schwiegen. ,,Und was wollen Sie, Sam?" Er sah sehr mitgenommen aus. Seine Augenringe deuteten daraufhin,
    dass er lange nicht geschlafen hatte. ,,Hören Sie Mam. Das mit Ihrem Mann tut mir sehr leid. Aber als ich vor drei Tagen meinen Spind geleert habe, habe ich ein Gespräch zwischen Kaufmann und Larry, dem Trucker der Ihren Mann gefunden hat, mitgehört. Dieser Larry hat, glaube ich, alles mitangsehen. Er stand total unter Schock." Sam fuhr fort:,, Kaufmann hat ihm was von einem Tierangriff erzählt aber das glaubte Larry nicht. Er hat ja Ihren Mann gesehen, genauso wie Jeff und ich." Carrol konnte keinen Gedanken mehr fassen. Sie wusste nicht mehr was sie glauben sollte. Aber eines wusste sie. Sie wollte wissen was mit John passiert war, was ihn umgebracht hat. ,,Ist Larry noch in der Stadt?" Sam antwortete: ,,Ja. Er ist im Riverside Motel. Hab ihn gesehen und kurz mit ihm geredet. Er hat einige Tage frei bekommen wegen der Sache. Ich kann Sie hinfahren." Carrol zog ihre Jacke an und ging mit Sam mit.

    Die gesamte Fahrt über zum Moel schwieg Carrol und dachte nach. Sie dachte an John und fragte sich was ihn getötet hat. Sie hoffte, dass Larry eine Antwort darauf hatte. Sam konzentrierte sich auf die Straße. Beide wechselten kein Wort miteinander. Vor dem Motel breste Sam abrupt ab. Er starrte auf den Blauen Ford Mustang. ,, Scheiße! Das ist Kaufmanns Wagen. Wenn der mich hier mit Ihnen sieht, dann bin ich dran." Carrol versuchte ihn zu beruhigen:,,Sam, ich gehe alleine da rein. Sie haben mir sehr geholfen. Ich danke Ihnen."Sam erwiederte:
    ,,Keine Ursache Mam. Ich warte hier auf Sie." Sie stieg aus dem Auto und überquerte die Straße. An der Rezeption des Motels angekommen, drückte sie auf die kleine Klingel. Eine junge Frau kam aus dem Hinterzimmer heraus:,,Guten Tag Mam, was kann ich für Sie tun?" ,,Guten Tag" erwiederte Carrol. Oh nein. Wie hieß Larry mit Nachnamen? Carrol wusste seinen Nachnamen nicht. Sollte sie der Frau erzählen, dass sie den Trucker Larry suchte? Das würde nichts bringen. Die Frau lächelte freundlich und sah Carrol etwas fragend an. Unerwartet ging die Tür auf, die zum Innenhof des Motels führte. Es war Kaufmann. ,,Guten Tag Mrs. Murphy. Was machen Sie hier?" Fragte er gerade, was sie hier mache? Carrol wusste,
    dass etwas nicht stimmte, also log sie: ,,Ich wollte mir ein Zimmer mieten. Zuhause erinnert mich alles an John. Das halte ich nicht aus." Kaufmann sagte: ,, Ich muss los. Auf Wiedersehen." Carrol sagte nichts. Einige Augenblicke später, nachdem Kaufmann gegangen war, öffnete sich die Tür zum Hinterhof erneut. Ein Mann betritt den Raum. Es war groß und hatte eine kräftige Statur. Mit seinem rot karriertem Hemd, seiner Basecap und seinem dunkelbraunen Vollbart, sah er aus wie ein Holzfäller. Obwohl Carrol einige Meter von ihm entfernt war, konnte sie riechen, dass er viel getrunken haben muss. Er roch sehr stark nach Bier. Der Mann setzte sich an einen Tisch und atmete tief aus. Die Dame an der Rezeption lächelte Carrol an:,,Nun Mam. Sie möchten ein Zimmer?" Carrol antwortete: ,,Ja. Das heißt eigendlich suche ich einen alten Freund." Carrol lächelte unsicher, dann fuhr sie fort: ,, Ich habe gehört, dass er sich zur Zeit in Silent Hill befindet. Sein Name ist Larry und er ist Trucker. Tut mir Leid ich weiß nicht mehr wie er mit vollem Namen heißt. Ist schon sehr lange her." ,,Du suchst mich?", der Mann, der aussah wie ein Holzfäller, war Larry. ,,Larry?", Carrol konnte es kaum glauben. Bekam sie nun die Antwort auf alles? ,,Hey Kleine! Lange nicht gesehen." Carrol blickte Ihn verdutzt an. Larry sah die Dame an der Rezeption an und sagte zu ihr: ,,Sie ist sowas wie meine kleine Schwester. Komm gehen wir ein bisschen spatzieren." ,,OK" erwiederte Carrol. Sie verlaßen das Motel und gingen zu Sams Wagen. Dort angekommen, fagte Carrol Larry: ,,Larry, warum haben Sie eben so getan, als würden Sie mich kennen?" Larry starrte in die ferne und sagte in leisem Ton: ,,Man darf hier niemanden trauen." ,,Ich bin Mrs. Murphy. Man hat mir erzählt Sie hätten meinen Mann am Straßenrand gefunden." Larry legte seine Hand auf Carrol's schulter und sagte: ,,Das tut mir alles sehr Leid für Sie."
    Sam blickte aus dem Auto und sagte zu Carrol: ,,Möchten Sie weiterfahren Mam?" Carrol antwortete: ,,Nein. Sam ich bin Ihnen sehr dankbar, aber ich will Sie nicht in irgendwas mitreinziehen. Sie haben Ihren Job für mich riskiert." Sam holte einen Kugelschreiber und ein Fetzen Papier aus seiner Tasche. Während er etwas aufschrieb, sagte er zu Carrol: ,,Gut Mam. Aber wenn Sie Hilfe brauchen, dann rufen Sie mich an." Er reichte ihr das Stück Papier, zündete den Wagen und fuhr weiter.

    Carrol und Larry setzten sich auf eine Parkbank. Carrol fragte Larry: ,,Hat Dr. Kaufmann Sie im Motel besucht?, Larry schwieg. ,,Warum können Sie hier niemanden trauen?" Larry erwiederte gereizt: ,,Jetzt hören Sie mir mal zu Mrs. Murphy. Ich kenne Sie nicht und ich werde diese verdammte Stadt noch heute Abend verlassen. Vor einer halben Stunde bekam ich besuch von Onkel Doktor, der mir weißmachen wollte, dass Unfälle passieren können, wenn ich mein Maul
    aufmache. Als ob er geahnt hätte, dass Sie zu mir kommen." Carrol sah ihn traurig an. ,,Es tut mir Leid Larry. Ich dachte nur, dass Sie mir vieleicht helfen können. Laut Pathologiebefund wurde John von einem Tier gebissen. Vermutlich ein Wolf. Aber,... aber als ich seine Leiche sah, da..." Carrol brach in Tränen aus. Larry nahm sie in den Arm und tröstete sie:,,Sch...Sch... Es wird alles gut", sagte er mit sehr sanfter und leiser Stimme. Carrol schluchzte: ,,Wissen Sie, es ist schlimm, dass John tot ist. Aber noch schlimmer ist es, zu wissen, dass man nie damit abschließen kann. Dass man niemals erfährt was mit ihm passiert ist." Larry fing an zu erzählen: ,,Ok Mrs. Murphy ich erzähle Ihnen, was ich gesehen habe. Ihr fuhr seit Stunden auf der dunklen Landstraße und der Regen erschwerte mir die Sicht. Dann sah ich Licht in der Ferne. Es waren Autoscheinwerfer von einem Wagen, neben dem Wald stand. Ich dachte, dass einer 'ne Autopanne hatte, also hielt ich
    mit meinem Truck am Straßenrand an und stieg aus. Ich bemerkte schnell, dass niemand im Wagen war. Irgendwie seltsam. Dann sah ich einen Mann. Es war John. Er stand mit dem Rücken zu mir und blickte wie erstarrt in den großen dunklen Wald hinein. Ich versuchte ihn anzusprechen und fragte ob er OK sei aber er antwortete nicht. Ich dachte zuerst, dass er einen Schock hatte, oder auf Drogen war und lief daraufhin zurück zu meinem Truck um die Polizei zu rufen. Als ich das getan hatte, wollte ich wieder nach John sehen. Vieleicht hatte er sich wieder gefangen, doch stattdessen sah ich einen zweiten Mann. Er kam aus dem Wald und schreitete langsam auf John zu. John stand immer noch wie hypnotisiert da. Der andere Mann flüsterte irgendetwas, in einer Sprache die ich nicht verstand. Das ist seltsam. Es war ein lautes flüstern. Es muss laut gewesen sein, denn ich stand etwa 15 Meter weit entfernt. Ich traute mich nicht näher ran und
    spielte mit dem Gedanken, die Flucht zu ergreifen. Dieser komische Mann hatte einen langen Mantel an. Sie müssen mir glaubenMrs. Murphy. Ich bin nicht verrückt, aber als ich seine Hände sah, da wusste ich, dass es kein Mensch sein konnte. Die Finger waren doppelt do lang wie normale Finger und seine Augen. Ich sah nicht seine Augen aber ich sah seine Pupillen. Sie waren rot wie Blut und ich vermute, dass er John damit hypnotisierte. Dann griff dieses...dieses Ding Ihren Mann an. Es ging alles schnell. Ich fing an zu schreien, denn es war der schrecklichste Anblick, den ich je hatte, Mam. Und glauben Sie mir, ich habe in meinem Leben viel gesehen. John hat keinen Schrei ausgestoßen. Dieses Monster gröhlte laut, wie ein Raubtier. Es schien, als würde er es einfach mit sich geschehen lassen. Ich war wie gelähmt und hatte eine Todesangst. Flammen sprühten aus seinem lagen pechschwarzen Mantel. Es war jetzt hell und ich sah die Kreatur. Sie hatte ein langes blasses gesicht und dort wo seine Augen sein müssten, da waren riesige Hölen. Es stinkte furchtbar nach Schwefel. Einen Momentlang glaubte ich, ich sei in der Hölle. Als es mit John fertig war, sah es mich an. Ich dachte mir nur noch,,Das war's dann". Die blutroten Pupillen waren wie verschwunden. Es drehte sich um und schritt wieder langsam in den Wald hinein. Ich blickte ihm nach, bis es in der Dunkelheit entgültig verschwand und fragte mich, warum es mich verschont hatte. Dann lief ich zu John. Als die Polizei und die Krankenwägen da waren, brachte ich kein Wort heraus. Erst im Krankenhaus, erzählte ich es Dr. Kaufmann. Er machte einen Drogentest mit mir, der positiv ausfiel. Angeblich hätte ich mir Halluzinogene reingepfiffen. Das kann nicht sein.
    Ich fuhr doch Stundenlang mit meinem Truck auf der Landstraße und das was ich gesehen habe war keine Halluzination." Carrol bekam eine Gänsehaut. Diese Geschichte lief ihr kalt den Rücken runter und plötzlich dachte sie an die alte Mrs. Gordon. Sie glaubte Larry. Doch dann kam ihr ein Gedanke in den Kopf, den sie aussprach: ,,Larry, war John schon tot, als die Helfer kamen?" Larry antwortete: ,,Mausetot. Sie haben doch seine Leiche gesehen. ,,Aber als ich im Krankenhaus ankam, wurde er notoperiert." Das verstand Carrol nicht. Larry war auch Ratlos. Er wusste nicht, warum die Leute im Krankenhaus ihr erzählen wollten, dass John notoperiert wird. Das war überraschenderweise nicht wichtig für Carrol. Sie wusste, dass sie Larry glauben konnte und sie wollte wissen, wer oder was ihren Mann ermordet hat und vorallem, warum. Carrol und Larry verabschiedeten sich kurz und Carrol ging zu Fuß nach Hause zurück.

    Es war bereits Nachmittag und die Sonne schien. Carrol klingelte an der Haustür ihrer Nachbarin Mrs. Gorden. Es dauerte eine Weile und die alte Dame öffnete Ihr die Tür. ,,Kommen sie rein Carrol." Als hätte sie sie bereits erwartet. Mrs. Gordon führte Carrol in ihr Wohnzimmer und bot ihr einen Platz auf der beigefarbenden Coutch an. ,,Ich habe mit Larry, dem Trucker gesprochen. Er hat mir erzählt wie mein Mann..." Mrs Gordon öffnete eine Flasche Mineralwasser und holte zwei Gläser aus der Vitrine. Dann setzte sie sich zu Carrol und blickte diese tief in die Augen. ,, Sie wollen wissen was Ihren Mann umgebracht hat." Carrol antwortete: ,,Ja Mam. Ja das will ich." Die alte Frau begann zu erzählen: ,, Es war eine Art Dämon. Eine Kreatur, heraufbeschworen von den Mächten der alten Götter. Der Kult macht das schon seit hunderten von Jahren und sie werden immer mächtiger" Ihre Stimme war angsteinflößend.,, Ich habe das gleiche gesehen, was Larry gesehen hat. Doch bei mir ist es schon 50 Jahre her. Ich war mit meinem Bruder am See spatzieren. Wir wollten Angeln gehen. Als es dunkel wurde, sind wir die Abkürzung durch den Wald gegangen. Wir fürchtete uns, weil es hier in der Gegend tausende Schauergeschichten über den Seelenfänger gab. Aber wir hätten nie gadacht, ihm einmal zu begegnen. Wir sahen einen Mann, mit einer Angelrute, als wir aus dem Wald kamen. Er starrte wie hypnotisiert in den Wald. Dann drehte ich mich um und sah dieses Ding. Ich glaube den Rest kennen Sie Carrol." Carrol nickte. ,, Aber wissen Sie. Ich verstehe bis heute nicht, warum uns diese Kreatur nicht auch getötet hat. Warum gerade den alten Fischer? Es sah uns nur an. Natürlich glaubte keiner unsere Geschichte. Meine Mutter verprügelte mich sogar dafür, dass ich mir so etwas markaberes ausdachte." Carrol fragte: ,,Aber was hat dieser Kult damit zu tun?" Mrs. Gordon antwortete: ,,Das erzählte man sich damals so. Ich weiß nur, dass diese Leute gefährlich sind. Meine Tochter arbeitet als Lehrerin in der Grundschule. Letzte Woche war sie bei mir zu besuch und erzählte von einer Schülerin in Ihrer Klasse. Die Mutter der Kleinen ist auch eine von der Sekte und es gibt Verdacht auf Misbrauch. Ob die etwas damit zu tun habe weiß ich nicht, aber ich glaube diese Legenden über den Seelensammler,
    die gibt es schon länger als diesen Kult." Carrol war wie gelähmt. Sie konnte es nicht fassen, was gerade passierte. Die ganze Geschichte war wie ein niemals endenwollender Albtraum. Die alte Dame fuhr fort: ,,Mein Bruder starb vor zwei Jaren an einem Herzinfarkt. An seinem Todestag erzählte er mir, dass er letzte Nacht von dem Seelenfänger geträumt hatte. Das war sehr eigenartig, denn wir sprachen seit jenem verfluchten Tag nie wieder über den Seelenfänger." Es war bereits dunkel geworden und Carrol wollte nur noch raus. Ihr machten die Geschichten der alten Frau Angst. ,,Ich muss jetzt gehen Mrs. Gordon. Auf Wiedersehen und gute Nacht."

    Carrol konnte das alles nicht glauben und fuhr daher mit ihrem Auto an den Ort des Geschehens. Dort angekommen parkte sie ihren Wagen am Straßenrand. Sie sah sich um. Es war eine sternenklare und kalte Nacht. Plötzlich hörte sie ein flüstern. Es wurde immer lauter und bald darauf hörte es sich an, als ob mehrere Personen auf einmal flüstern. Sie verstand nicht was sie sagten, doch es wirkte beängstigend. Sie starrte in den Wald. Dort erkannte sie eine Art Licht. Es war aber keine Fackel und auch keine Lampe, sondern eine Art rotes glühen. Carrol wusste, was es war oder wer es war. Der Seelenfänger. Sie wollte fliehen, doch konnte sich weder von der Stelle rühren, noch die Augen schließen. Es kam langsam immer näher. Dann wirkte das Geflüstere plötzlich nicht mehr schaurig auf sie, sondern entspannend. Nun verstand Carrol auch was sie sagten. Diese fremde längst vergessene Sprache. Carrol verstand sie. Alles wirkte befreiend. Ihre Knie wurden weich und sie hatte das Gefühl zu schweben. Plötzlich hörte sie ein Rufen. Es war sehr leise. Sie konnte nicht deutlich hören wer oder was es war. Dann registrierte sie eine Person mit blondem, zotteligen Haar und einer Narbe unterm Auge. Die Person konnte Carrol nicht wachrütteln. Obwohl sie sich schwebend wie eine Wolke fühlte, war sie gleichzeitig robust wie Stahl. Außerdem verstand sie nicht, was die Person ihr zu sagen versuchte. Es schien als spreche sie eine völlig fremde Sprache. Carrol hörte nur noch auf das Geflüster. Sie blickte der Gestalt in die Augen. Die roten Pupillen hypnotisierten sie. Das Wesen kam auf sie zu, aber Carrol rannte nicht weg. Sie ließ es geschehen. Ein einziger Gedanke ging Ihr duch den Kopf: ,,Bald bin ich bei John."

    Ende
    Mutterleid

    Nebel umfing das Cedar Grove Sanatorium. Es war ein dichter Nebel, der sich kaum mit Blicken durchdringen lies. Wie eine breite weißgraue Wand kam er mir vor, als ich gedankenverloren durchs Fenster der Dining Hall blickte und dabei eine Zigarette rauchte, die mir nicht wirklich schmeckte. Der Nebel schluckte alles, lies mich nicht mal die wenigen Meter bis zum Beginn der Grünflächen blicken. Ein Anblick, der in letzter Zeit immer häufiger wurde. „Silent Hill, das Kaff, wo sich der Nebel zuhause fühlt…“ sagte ich scherzhaft, um meiner schlechten Laune Luft zu machen.

    „…die gute Betty sah auch schon mal besser aus.“ „Ja, seit diesem Vorfall vor zwei Monaten hat sie sich völlig verändert.“ „Dabei war sie früher so lebensfroh gewesen. Ein richtiges Partyluder…“

    Ich blendete die Unterhaltung, die am Nebentisch geführt wurde, so gut es ging aus meiner Wahrnehmung aus. Es war mir inzwischen egal, was hinter meinem Rücken über mich getuschelt wurde. Die meisten hatten eh keine Vorstellung davon, was ich durchgemacht hab und konnten nur von meinem äußeren Erscheinungsbild urteilen. Ja, die Zeit des Partyluders Betty Rose war vorbei. Heute bin ich nur noch die liebe Schwester Betty, die sich mit ihren strähnigen schwarzen Haaren und tiefen Augenringen, welche von schlaflosen Nächten zeugten, auf die Arbeit schleppte. Mühsam beendete ich meinen inneren Monolog, bevor er mich zu unliebsamen Erinnerungen führte, die ich vergessen wollte. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es Zeit war, wieder an die Arbeit zu gehen. Also drückte ich flux die halbgerauchte Zigarette aus, zupfte meine Schwesterntracht zurecht und verließ die Dining Hall.

    + - + - + - + - +


    „Dr. Harris?“ Ich erwischte meinen Chef zufällig im Flur, als er gerade sein Büro betreten wollte. Er hatte einen dicken Stapel Akten unterm Arm, auf denen ich beiläufig den Namen “Helen Grady“ lesen konnte – ein Fall, für den er sich schon seit Jahren sehr interessierte. Dr. Erwin Harris, der bereits mit einem Fuß den Raum betreten hatte, hielt inne und drehte sich zu mir um. „Ja bitte?“ Seine Stimme hatte einen leicht genervten Unterton. „Der Neuzugang ist eingetroffen. Sie wollten sich ihn doch mal anschauen.“ Der Doc brauchte einem Moment, bis er wusste, von wem ich sprach. „Ach, Mr. Reed, der uns vom Brookhaven überstellt wurde! Ja, okay. Ich komme gleich. Gehen sie schon mal vor, Betty.“ Ohne meine Antwort abzuwarten verschwand er in seinem Büro. Das war nichts Neues. Alle Angestellten des Sanatoriums mussten sich mit dieser Marotte anfreunden und damit rechnen, von Dr. Harris einfach stehen gelassen zu werden. Als ich vor drei Jahren hier anfing, hatte ich ziemliche Probleme mit diesem Verhalten und wäre deswegen beinahe mal rausgeflogen. Mit der Zeit hatte ich aber gelernt, darüber hinweg zu sehen.

    Ich kam Dr. Harris Bitte nach und ging zu Mr. Reeds Zimmer. Man hatte ihm Raum A-8 in der Herren-Abteilung zugeteilt. Seiner Akte nach war er ein sehr schweigsamer Kerl, der des öfteren in einen apathischen Zustand versank. Als ich sein Zimmer betrat, saß er ruhig aus dem Bett und starrte teilnahmslos auf die gegenüberliegende Wand. „Hallo Marvin.“ Keine Reaktion. „Ich bin Schwester Betty. Der Doktor wird gleich kommen und sich…“ Ich unterbrach meine Ansprache, als ich merkte, dass Marvin mich gar nicht wahrnahm. Seine Augen zeigten deutlich, dass er geistig nicht anwesend war. Geifer lief ihm aus dem offenen Mund. Er hatte wohl wieder einen Anfall. „Dann eben nicht“ seufzte ich.

    Die nächsten drei Minute tat sich nichts. Mir wurde bereits langweilig. Wo blieb nur Dr. Harris? Um mich abzulenken warf ich einen Blick auf die Aufzeichnungen, die an Marvins Bett geheftet worden waren. So erfuhr ich, dass der Gute eine Begabung dafür hatte, jeden Behandlungsversuch zu ignorieren. Die Psychologen des Brookhaven Krankenhauses kamen nicht zu ihm durch. Wenn er sprach, redete er nur selten über sich. Man stufte ihn als Härtefall ein, weshalb er hierher nach Cedar Grove verlegt wurde. „Du riechst nach Tod.“ Erschrocken fuhr ich herum, als Marvin mich plötzlich von der Seite ansprach. Er lächelte mich an und seine Augen waren hellwach! „Was…was hast du gesagt?“ „Du riechst nach Tod“ wiederholte er, wobei sein lächeln noch breiter wurde. „Ich kenne den Geruch. Sehr gut sogar. Hast du auch ne Leiche gefunden?“ „Was? N..Nein…“ stammelte ich, noch immer total überrollt von der Situation. Marvin sah, nein, stierte mir einen Moment lang an und schüttelte dann den Kopf. „Ich weiß, dass du lügst. Ich… ich rieche es ganz deutlich. Wer wars denn? Ein Fremder? Ein Freund? Vielleicht Vater oder Mutter? Oder wars dein Kind?“ „Halt den Mund!!“ fuhr ich Marvin an und verpasste ihm eine Ohrfeige, dass er vom Bett rutschte. Jetzt war er es, der mich überrascht ansah, sich am Boden seine schmerzende Wange haltend. „Ahem…“ räusperte sich jemand hinter mir. Als ich mich umdrehte, stand Dr. Harris an der Tür und sah mich finster an. Mit einem Handzeichen deutete er mir an, mit vor die Tür zu kommen. Ich rechnete mir einer dicken Standpauke – und wurde nicht enttäuscht.

    „Was fällt ihnen ein, einen Patienten anzugreifen?! Sie wissen doch…“ Es folgte die übliche Belehrung. „Gewalt gegen Patienten ist nur im Notfall erlaubt, um die Unruhestifter zu zügeln oder sich selbst zu verteidigen!“ leierte Dr. Harris die Verhaltensregeln runter und redete sich mit seinem Vortrag selbst in Rage und lies mich nicht zu einer Erklärung oder Entschuldigung ansetzten. „Ich verstehe ja, dass sie nach dem Tod ihres Kindes aufgebracht sind, aber…“ „Sie verstehen mich?“ fiel ich ihm aufgebracht ins Wort. „Sie verstehen mich?!! Woher wollen sie wissen, wie das ist, aufzuwachen und sein Kind tot in seinem Bett zu finden?! Wie es ist, einen leblosen Säugling von sechs Monaten in Händen zu halten! Sie verstehen gar nichts!“ Tränen waren mir in die Augen gestiegen. Alles, was ich so sehr versuchte zu vergessen, wurde wieder hochgespült. Weinend rannte ich davon und lies einen verdutzt dreinschauenden Dr. Harris zurück.

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    Ich war vollkommen aufgewühlt, wollte nur noch allein sein und in Ruhe mein Leid rauslassen. Das Leid, das ich seit zwei Monaten unterdrückte und versuchte mit der Arbeit zu vergessen. Ich bin schnurstracks zum erstbesten, stillen Ort gerannt, der mir eingefallen ist: der Raum für sanitäre Anlagen, wo sich WCs, Waschbecken und Duschen befanden. Dort saß ich nun, habe mich in eine der Toilettenkabinen eingesperrt. Das ich noch in der Männerabteilung war, war mir im Moment so was von egal. Halb gegen die Wand gelehnt hockte ich auf einer der Toiletten – natürlich mit runter geklapptem Deckel – und heulte wie ein Schlosshund. Das Gesicht meines kleinen Mikeys stand vor meinem geistigem Auge. Mal lebendig, lachend, mal tot und ausdruckslos…

    Mikey war kein Wunschkind gewesen, sondern das Ergebnis eines Schäferstündchens mit dem Barkeeper von Annies Bar. Die Frucht eines berauschten Partyluders… Der Vater verlies Silent Hill, kurz nachdem er von meiner Schwangerschaft erfahren hatte. Gerüchten zufolge betreibt er nun eine eigene Kneipe in South Ashfield. Zunächst dachte ich daran, das Kind abzutreiben, brachte es letztendlich aber nicht übers Herz. Meine Arbeit als Schwester im Sanatorium konnte ich, dank der Unterstützung meiner guten Freundin Annette behalten, die im Greenfield Apartmenthaus direkt über mir wohnt. Doch dann, vor zwei Monaten… Ich weiß es noch ganz genau. Ich wollte mich auf dem Sofa ausruhen und bin dabei eingenickt . Als ich erwachte, wollte ich nach Mikey sehen und fand ihn tot vor… Als Todesursache wurde plötzlicher Kindstod obduziert. Ironischer Weise wurde der Arzt, der das festgestellt hatte, kurz darauf wegen Drogenmissbrauchs verhaftet.

    Jemand kloppte gegen die Kabinentür. „Ist alles in Ordnung?“ Was für ein Idiot. Man musste doch hören, dass nicht alles in Ordnung war! Trotzdem sagte ich „Alles klar. Ich komm gleich raus. Einen Moment noch.“ Der Mann vor der Tür, ich glaube es war der Pfleger Clem, räusperte sich und sagte „Okay. Ähm…“ Den Rest, den er sagen wollte behielt er für sich und verlies den Raum. Ich wischte mir die Tränen ab und öffnete die Kabine. Noch leicht benommen schwankte ich zum Waschbecken, um mich frisch zu machen. Das Wasser tat gut, klärte den Geist. Als ich mir gerade den dritten Schwall ins Gesicht spritze, begann plötzlich das Licht stark zu flackern und erlosch. „Na toll. Sowas hat echt noch gefehlt.“ Da ging das Licht auch schon wieder an. Erleichtert atmete ich auf - bis ich plötzlich eine Gestalt im Spiegel bemerkte, die vorher nicht da gewesen war! Erschrocken fuhr ich herum, konnte die Gestalt aber nirgends ausmachen. Sie war verschwunden wie ein Geist. Hatten mir meine Nerven einen Streich gespielt? Ich versuchte, mich an das Aussehen der Gestalt zu erinnern. Sie war wie ich weine Schwester gewesen, doch ihre Kleidung…war voller roter Flecken gewesen. An ihr Gesicht konnte ich seltsamerweise gar mich nicht erinnern und glaubte auch, gar keins gesehen zu haben. Also doch ein Hirngespinst? „Ich werde in diesem Irrenhaus langsam verrückt.“

    Endlich schaffte ich es, mich zusammenzureißen und den Sanitärraum zu verlassen. Als ich auf den Gang trat, empfing mich eine schummrige Dunkelheit. Die Deckenlampen leuchteten nur sehr spärlich, sodass ich gerade so die Hand vor Augen sah. War das vorher auch schon so gewesen? Ich denke nicht. Verwundert sah ich mich um. Boden und Wände sahen sehr feucht und dreckig aus. In der Decke waren einige große Löcher, aus denen Kabelleitungen herausragten. Die Tür zu meiner linken, die zu einem der Schlafsäle führte, war mit dicken Eisenketten verriegelt worden. Nein, normal war das sicher nicht. Ich bekam eine Gänsehaut, die nur teilweise von der unheimlichen Kälte des Ganges herruhte und fühlte mich beobachtet. Da! Weiter hinten im Gang hatte sich etwas bewegt! An der Ecke, wo der Weg zum Treppenhaus abzweigte, hatte jemand schnell seinen Kopf eingezogen. „Hey!“ rief ich den Unbekannten an und lief der Stelle entgegen, wo Er oder Sie verschwunden war. Doch als ich um die Ecke bog, prallte ich unvermittelt gegen die Gestalt, taumelte zurück und hatte zu kämpfen, nicht auf den Hintern zu fallen. „Oh, entschuldigen sie. Ich wollte nicht…“ setzte ich an, doch als ich endlich erkannte, wer da vor mir stand, verschlug es mir die Sprache. Es war die Schwester, die mir im Spiegel des Sanitärraums erschienen war!

    Es war ein makaberes Bild. Die Tracht der Schwester war fast komplett mit blutroten Flecken bedeckt. Selbst Schuhe und Haube wiesen diese Flecken auf. Und ihr Kopf…sah aus wie eine rote, ovale Blasse ohne Gesicht und Haare! Der Anblick raubte mir den Atem! Das war keine Verkleidung. Dafür wirkte es viel zu echt. Von der Monsterschwester ging ein süßlicher Gestank aus. Aus den Poren ihrer Haut sickerte zäher Schleim, der dem Kugelkopf ein nasses glänzen verlieh. Aber so etwas konnte es doch gar nicht geben! Da machte die Gestalt einen Schritt nach vorne. Steif und ungelenk, begleitet von knackenden Geräuschen, kam sie auf mich zu und hob den rechten Arm. Erst jetzt bemerkte ich, das sie ein langes Eisenrohr in der Hand hielt – das im selben Moment vorschnellte und nur knapp an meinen Kopf vorbeirauschte. „Aaah!“ Ich sprang zurück, stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Die Monsterschwester hob indessen wieder das Rohr zum nächsten Schlag. Weg, ich musste weg! Meine Angst brach nun vollends durch. Ich warf mich herum, rannte zurück zum Sanitärraum und bog davor nach links ab. Ich flog förmlich durch die Schwingtür, die zu den Patientenräumen führte. Dr. Harris kam mir in den Sinn. Vielleicht war er noch bei Mr. Reed. Schnell eilte ich zu seinem Zimmer, fand es seltsamerweise aber verlassen vor. Ich sah in drei weiteren Zimmern nach, die sich aber ebenfalls als leer erwiesen. „Hallo! Ist hier niemand?!“ Es konnte doch nicht sein, das plötzlich alle Angestellten und Insassen verschwanden. Normalerweise herrschte hier immer reges Treiben. Ich rannte zur gegenüberliegenden Krankenstation, betrat das erstbeste Zimmer – und prallte zurück. Auf dem Krankenbett lag eine menschlichte Gestalt, die aussah, als hätte man ihr die Haut abgezogen. An einem Infusionsständer hing ein Beutel mit einer eintrig-gelben Flüssigkeit darin. Der Körper zuckte und stöhnte unter Krämpfen. Schnell warf ich die Türe wieder zu, lehnte mich mit dem Rücken dagegen und atmete tief durch. Was war das nur für ein Alptraum, in den ich da geraten bin? Der Begriff „Traum“ wolltein meinem Kopf haften bleiben, doch dafür erschien mir alles viel zu real. Übelkeit stieg mir die Kehle hoch. Ächzend kotzte ich mir mein Frühstück vor die Füße. Toll, nun ging es mir noch schlechter. Schwer atmend schritt ich weiter und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst, die anderen Zimmer zu betreten, wollte nicht wissen, was dort für ein Grauen warten würde.

    Vor dem Schwesternzimmer hielt ich inne. Ich hatte etwas gehört. Ein leises weinen. Vorsichtig näherte ich mich der entsprechenden Tür. Es war eine breite Doppeltür mit Sichtfenster. Nach kurzem zögern überwand ich mich und sah durch die Scheibe. Ich sah jemanden im Raum, eine Monsterschwester schritt gemächlich darin auf und ab und wiegte dabei ein kleines Bündel in den Armen. Erst dachte ich an ein Kind, doch dann lugten kleine, gebogene Krallen aus dem Bündel heraus. Die kleinen Krallen suchten die Brust der Schwester, schnitten problemlos durch den Stoff der Tracht. Blut rann aus der feinen Wunden, was das Bündel vergnügt aufquietschen lies. Die Monsterschwester legte den Kopf schief und drückte das Bündel an ihre blutende Brust – als wollte sie es stillen! Mein Magen zog sich zusammen. Ich war froh, ihn bereits entleert zu haben. Ansonsten hätte ich es jetzt sicher getan. Ich wollte mir das Schauspiel nicht länger ansehen. Das Bild wühlte die Erinnerung an Mikey wieder hoch. So entfernte ich mich von der Tür und überlegte, was ich nun tun konnte.

    Das einzige, was mir einfiel, war, nach anderen Personen zu suchen. Was blieb mir anderes übrig. Irgendwo musste doch noch jemand vom Personal sein. Ob ich Dr. Harris in seinem Büro antreffen würde? Das wollte ich herausfinden und machte mich auf den Weg.. Je näher ich der Lobby kam, desto schlimmer wurde der Zustand des Gebäudes. Auf den schmutzigen Wänden zeigten sich immer wieder blutige Spuren und Zeichnungen, die aussahen, als hätte ein Kind sie gemalt. Das Blut war teilweise noch frisch, wodurch die damit gemalten Bilder langsam zerliefen. Ich beschleunigte meine Schritte und erreichte endlich die Eingangshalle. Dort schien es an einer Stelle zu regnen. Verwundert sah ich nach oben und entdeckte ein großes Loch in der Decke. Der vermeintliche Regen stammte aus einer kaputten Wasserleitung. Dr. Harris Büro war nicht verschlossen. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Drinnen sah es eigentlich normal aus. Auf dem Schreibtisch stapelten sich wie immer Berge von Akten, während der Rest des Raumes ordentlich aufgeräumt war. Nur von meinem Chef fehlte jede Spur. Enttäuscht setzte ich mich an den Schreibtisch, wollte den Moment zum durchatmen und Nachdenken nutzen. Als ich mich auf den Tisch stützte, kam ein Aktenberg ins rutschen und gab den Blick auf den Anrufbeantworter frei. Eine Leuchte daran blinkte, zeigte an, dass eine Nachricht auf dem Band war. Neugierig drückte ich auf “Play“, und sei es nur, um wieder eine andere Stimme zu hören. „Du riechst nach Tod.“ Das war die Stimme von Marvin Reed! Was sollte das nun wieder? „Hast du auch mal ne Leiche gefunden? Wer wars denn? Ein Fremder? Ein Freund? Vielleicht Vater oder Mutter? Oder wars dein Kind?“ Das waren exakt die Worte, die er zu mir gesagt hatte. War das alles vielleicht nur seine Macke gewesen? Sagte er das öfters? Ich war gespannt, was nun folgen würde. „Halt den Mund!!“ hörte ich nun meine eigene Stimme, gefolgt von einem klatschen – und einem lauten anhaltenden Kinderkreischen! Schnell schaltete ich den Apparat wieder aus. Mein Herz und meine Gedanken rasten. Was sollte das nur bedeuten? Hatte der ganze Alptraum etwa mit mir und Mikey zu tun? „Ma-ma“ röchelte auf einmal eine fremde Stimme. Ich fuhr herum und sah die Tür einen Spalt breit offen stehen. Durch den Spalt schob sich ein sehr kleiner, gedrungener Körper, der sich auf dürren Krallenfindern vorwärts zog. Ich musste unwillkürlich an das Bündel denken, das die Monsterschwester vorhin gestillt hatte. War dass das Kind daraus? Seine Haut war schwarz, blutig und verschrammt, das Gesicht eine verzerrte Fratzte. „Ma-ma“ röchelte das Monster wieder und kam schnell näher. Ich sprang auf. „B-bleib weg von mir!“ schrie ich das Wesen an, welches darauf schrill zu schreien anfing. Das kreischen tat mir in den Ohren weh. Schnell rannte ich an den Ding vorbei, wollte nur raus aus dem Raum, raus aus der ganzen verfluchten Anstalt. Ich rannte zur Eingangstür des Gebäudes und stellte mir erschrecken fest, das sie mir dicken Brettern vernagelt war. „Lasst mich raus!“ rief ich und trommelte und zog wie verrückt an den Brettern, die sich aber keinen Millimeter nachgaben. „Bitte, lasst mich raus! Bitte!“ Schon bald verließen mich meine Kräfte. Erschöpft sank ich an der Wand hinunter, barg meinen Kopf zwischen die Knie und weinte. Ich weiß nicht, wie lange ich da gesessen habe. Irgendwann bemerkte ich Schritte, die langsam auf mich zukamen. Ich blickte auf, sah die Monsterschwester direkt neben mir stehen, das Eisenrohr zum Schlag erhoben. Da fuhr das Rohr auch schon herab und raubte mir das Bewusstsein.

    Mein Kopf schmerzte höllisch, als ich wieder zu mir kam. Ich lag in einem dunklen Raum, war an ein Bett gefesselt und konnte nur noch meinen Kopf bewegen. Über mir brannte eine Lampe, deren Licht sich scheinbar nur auf das Bett konzentrierte, in dem ich lag.. Ansonsten war es stockfinster im Raum. Schritte kamen näher, eine Monsterschwester trat an mein Bett. Sie hielt ein blaues Lederkissen in der linken. Ihre rechte hob sie zum Kopf, legte die Hand darauf, als würde sie bedauern, was sie nun tun würde. Tatsächlich war ein leises, ersticktes schluchzen zu hören. Als sie die Hand wieder senkte… hatte sie sich verändert. Sei hatte nun ein Gesicht! Oh mein Gott, sie hat MEIN Gesicht! Die Schwester beugte sich nun über mich, schaute mich aus traurigen Augen an und drückte mir schließlich das Kissen aufs Gesicht. Ich strampelte verzweifelt und versuchte dem Tode zu entgehen, doch der Druck der Schwester war eisern und gab nicht nach. Kurz bevor ich das Bewusstsein verlor wurde mir klar, was das alles mit mir zu tun hatte. Die Erkenntnis stand auf einmal klar von meinen Augen, als wäre sie eine letzte Vision vor dem Ende. Mikey war kein Wunschkind gewesen. Ich war häufig mit ihm überfordert. An jenem Abend… Ich wollte nur, dass er zu schreien aufhört… Und er hörte auf, für immer… Das waren meine letzten Gedanken, bevor es schwarz um mich wurde.

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    „Ich glaube, sie kommt zu sich“ hörte ich eine Stimme, die klang, als sei sie weit entfernt. Ich fühlte mich schlaff, müde und kraftlos. Hatte ich geträumt? War ich bei er Arbeit eingeschlafen? Nein, schlagartig kam die Erinnerung zurück. Ich riss die Augen auf, fuhr aus meiner liegenden Haltung hoch und sog die Luft tief in die Lungen. Ich war am Leben! Die Monsterschwester hatte mich doch nicht getötet! Um mich herum standen mehrere Menschen. Ich erkannte Clem, Steve und Margaret, die mich besorgt anstarrten. Hinter ihnen sah Dr. Harris teilnahmslos zu mir herüber, vertiefte sich gleich darauf aber wieder in eine Patientenakte. Den Raum erkennte ich als die Schwesternstation der Frauen-Abteilung. „Betty, was ist denn passiert? Wir fanden dich ohnmächtig vor der Eingangstür“ sagte mich Margaret. Ich hörte sie nur beiläufig. Mich plagte die Erkenntnis, was ich getan hatte. Was ich Mikey angetan hatte… Ich schlug die Hände vors Gesicht und begann bitterlich zu weinen.

    Ende
    „Once again, we’ve got late breaking news…“



    Seufzend drückte Police-Commissioner Logan seine Zigarette im bereits überfüllten Aschenbecher auf seinem Schreibtisch aus. Er nippte kurz an seinem inzwischen kalten Kaffee und warf dann erneut einen Blick in die vor ihm befindlichen Unterlagen. Es ging um mehrere Mordfälle. Vier, nein fast fünf an der Zahl. Das fünfte Opfer schwebte noch in Lebensgefahr. Die anderen vier wurden schon tot aufgefunden. Alle waren sie am heutigen Tage gefunden worden. Jedes Opfer schied anders aus dem Leben, obwohl es sich eindeutig um denselben Täter handeln musste und nicht nur das war ungewöhnlich, nein, dann war da noch die Tatsache, dass es keine Beweise gab. Nicht einen einzigen. Keine Fingerabdrücke, keine Fasern von Kleidung, gar nichts. Nur diese Nummern… „16121“, „17121“, „18121“, „19121“ und „20121“.

    Als Logan die Nummern gesehen hatte, war es ihm eiskalt über den Rücken gelaufen. Wie damals vor zehn Jahren, als er es gerade zum Hauptkommissar geschafft hatte. Da begann die Mordserie von Walter Sullivan. Allein der Gedanke daran… Es waren zehn Tage voller Horror, denn obwohl der Name des Täters von Anfang an bekannt war, gab es keine Indizien wo sich der Besagte befand, nein, er schien wie vom Erdboden verschluckt. „Bevölkerung verängstigt, Polizei unfähig – Kann niemand Sullivan stoppen?“ – Er sah das Titelblatt der Ashfield-News am 6. Mordtag noch so klar vor seinem inneren Auge, als sei es gestern gewesen. Nie war er sich so nutzlos vorgekommen, wie zu dieser Zeit. Täglich oder jeden zweiten Tag gab es mindestens ein neues Opfer. Am schlimmsten hatte es eine kleine Familie aus Silent Hill getroffen: Beide Kinder waren von Sullivan getötet worden. Allein durch diese Tat wurde Sullivan auf grausame Art und Weise berühmt: als ein gefühlloser Mörder, der nicht vor unschuldigen Kindern zurückschreckte, nein sie sogar mit einer rostigen Axt zerstückelte.

    Nach zehn Tagen hatten sie ihn dann doch noch gefasst. Aber wie er sich gewehrt hatte, sie konnten ihn zu dritt kaum festhalten. Und dieses Geschrei, das er veranstaltet hatte, der gejagte, panische Ausdruck in seinen Augen… „Ich hab’s getan, aber ich war’s nicht!“ – Das hatte er zu Logan gesagt, was auch immer es bedeutete. Logan war kein Psychologe, aber sein Verdacht war von Anfang an, dass es sich um eine multiple Persönlichkeit oder so etwas handeln könnte. Seinen Kollegen war es egal, ob es sich um einen psychisch gestörten Menschen handelte oder nicht, sie hatten den Mörder und wollten ihn möglichst mit Todesstrafe ins Gefängnis schaffen. Und so hielt Logan die Klappe und behielt seinen Verdacht für sich, um zu verhindern, dass man den Mörder für unzurechnungsfähig hielt. Und niemand sonst außer ihm hatte den Verdacht, denn er war der einzige Polizist gewesen, zu dem Sullivan überhaupt etwas gesagt hatte, nachdem er festgenommen worden war.
    Und dann kam der Selbstmord. Logan war nicht überrascht, seine Kollegen schon, davon ab, dass sie sich ärgerten, weil Sullivan sich selbst gerichtet hatte und nicht das Gesetz. Aber damit wurde der Fall zu den Akten gelegt und niemand kümmerte sich mehr darum.

    Bis vor vier Jahren ein Opfer gefunden wurde, in dessen Körper „12121“ geritzt worden war. Sullivan war zu dem Zeitpunkt bereits drei Jahre tot, er konnte es unmöglich gewesen sein. So dachten zumindest Logans Kollegen und stempelten den Fall als Nachahmungstat ab, nannten es „Walter Sullivan Fall – Runde 2“. Immerhin hatte die Leiche ja noch ihr Herz, was bei den anderen 10 Opfern ja nicht der Fall war. Doch etwas an dem Fall beunruhigte den sonst so besonnenen Polizeihauptkommissar – es war nicht das Fehlen einer Leiche mit der Nummer „11121“. Und Logan war nicht der einzige gewesen. Er erinnerte sich an einen Journalist mittleren Alters, den er am Tatort getroffen hatte. Schreiber war sein Name, soweit er sich daran erinnern konnte. Er war hier und da mal in der Zeitung über diesen Namen gestolpert und diese Artikel waren noch nicht mal schlecht. Ein Reporter, der seinen Job ernst nahm. Man sah es ihm von weitem an. Ein ernster, ungetrübter Blick, ebenso ernste Gesichtszüge.


    Auch beim Fund der nächsten Leiche, der einer älteren Frau, war der Reporter anwesend. Und diesmal war er nicht bloß ein stummer Zuschauer, der sich hin und wieder Notizen machte.
    Da hatte er ihn angesprochen. Er hatte seine Zweifel mit Logan geteilt, aber der Polizist hatte es vorgezogen zu schweigen.

    Der Reporter näherte sich Logan und sah über seine Schulter nach hinten, ob weitere Polizisten lauschten. „Sie zweifeln daran, dass es eine Nachahmungstat ist, nicht wahr? Ich sehe es ihnen an. Ich glaube das gleiche. Der… der Modus Operandi, er ist der gleiche wie bei Sullivan.“ Er gestikulierte etwas unkoordiniert mit seinen Händen. „Egal was ihre Kollegen sagen. Ich habe einfach das Gefühl, dass es kein Nachahmungstäter ist.“ Logan schaute ihn nur stumm an. Er sagte nichts. Einige Sekunden wurde er noch eindringlich angesehen, dann gab Schreiber auf und ging einige Schritte zurück. Ein kurzer Blick, dann drehte er sich um und machte sich weitere Notizen. Wie gerne hätte er ihm zugestimmt...


    Das war das letzte Mal, dass er von dem Reporter gehört hatte. Er hätte ihm gerne gesagt, dass er die gleichen Zweifel hegte, aber er war Polizist und musste verdammt gut aufpassen, was er jemandem sagte. Es wäre nicht das erste Mal, dass Informationen an die Presse gegangen wären, weil einer der Kollegen sich verplappert hatte.
    Danach geschah wieder nichts. Drei Jahre lang gab es keine neuen Opfer, die in das Mordschema passten.

    Und dann kam der heutige Tag. Der 21. Juni. Der Tag hatte so gut Angefangen, dann fand man die erste Leiche in der U-Bahn-Station von South Ashfield. Kaum waren sie mit der Beweissicherung fertig, war die zweite Leiche im Wald von Silent Hill gefunden worden. Und auch das nächste Opfer, das man in seiner Wohnung in Nord Ashfield auffand lies nicht lange auf sich warten. Das gleiche galt für das vierte Opfer in South Ashfield. Seine Kollegen brüteten gerade noch über eine Karte der Umgebung, bei der sie an den Positionen der Tatorten von den alten und neuen Fällen Reißbrettstifte hineinsteckt hatten, da kam die Nachricht aus der Notrufzentrale, dass eine junge Frau als fünftes Opfer gefunden worden war. Immerhin lebte sie noch, noch. Ihre Verletzungen waren nicht ohne und es stand sehr schlecht um sie. Was auch immer der Täter mit ihr gemacht hatte, die ganze Wohnung war mit Blut besudelt gewesen. Aber sonst gab es keinerlei Beweise, genau wie bei den anderen vier Opfern.


    Als es plötzlich an der Tür klopfte schreckte Logan aus seinen Gedanken. Ein junger Kollege stand in der Tür. „Es gibt Arbeit.“ Alarmiert erhob sich der Hauptkommissar. „Nein, nicht noch eine Leiche.“ Der junge Polizist hob beschwichtigend die Hände. „Nein, nein. Soweit ich weiß nicht. Es tut mir echt Leid, dass ich sie damit belangen muss, aber alle anderen Kollegen sind so mit den Morden beschäftigt, dass mich sonst keiner begleiten kann… oder will.“ Erleichtert atmete Logan aus. Er hatte schon mit dem schlimmsten gerechnet. Er erwiderte das verunsicherte Lächeln des Polizisten und trat hinter seinem Schreibtisch hervor. „Um was geht es denn?“ Mit einer Hand griff er seinen Mantel. „Es ist nichts Tragisches. Ein Anruf von dem Hausmeister eines Apartmentkomplexes. Er versucht seit einigen Tagen den Besitzer eines Apartments zu kontaktieren, aber es reagiert niemand auf Klopfen oder Rufen. Sie wollen die Tür aufbrechen und er hat deswegen die Polizei angerufen.“ Logan nickte langsam. „Okay. Ich werde sie begleiten…“ Er schaute auf das Namensschild des Polizisten. „…Officer Carney.“ Er warf sich den Mantel über die Schultern und die beiden verließen die Polizeistation.
    „Wohin müssen wir?“, fragte Logan beiläufig, als sie in Carneys Polizeiwagen einstiegen. „Sie waren heut schon zweimal dort.“ Kam die bedrückte Antwort, als Carney sich auf dem Fahrersitz niederlies und sich anschnallte. Logan runzelte die Stirn. „Zweimal…? South Ashfield Heights?“ Er blickte zu seiner linken und sah den jungen Mann nur leicht nicken. Er seufzte. „Na dann fahren sie mal los.“ Er schnallte sich an und lehnte sich im Sitz zurück.

    Die Fahrt dauerte nicht lange, vielleicht zehn, höchstens zwanzig Minuten. Logan hatte das Zeitgefühl ein wenig verloren. Der heutige Tag schien einfach nicht enden zu wollen. Es schien ihm, als sei er schon über 48 Stunden auf den Beinen. Nachdenklich schaute er aus dem Fenster. Wahrscheinlich war es der schlimmste Tag in seiner ganzen Karriere als Polizist. Er bemerkte gar nicht, dass Carney anhielt. „Commissioner Logan?“ Angesprochener schreckte aus seinen Gedanken. „Hm?“ „Wir- wir sind da.“ Er lächelte unsicher und öffnete die Fahrertür. Logan starrte ihn einige Sekunden an, dann begriff er, was er gesagt hatte und schnallte sich ab, stieg aus dem Wagen aus. Ein etwas älterer Mann, der Hausmeister Frank Sunderland, stand mit betrübtem Blick am Eingang des Apartmentkomplexes und schien die beiden Polizisten bereits zu erwarten. Neben ihm stand ein Werkzeugkoffer. Die beiden näherten sich der großen Eingangstür. „Tut mir Leid, dass ich die Polizei schon wieder hier her rufen muss.“ Er lächelte etwas müde. Der Tag hatte ihn sichtlich fertig gemacht. Logan räusperte sich und versuchte ein kleines Lächeln. „Immerhin geht es nicht um den Fund einer Leiche.“ Sunderland schaute nachdenklich zu Boden. „Ehrlichgesagt, glaube ich das doch. Seit sechs Tagen gibt es keine Lebenszeichen mehr von dem jungen Mann, der das Apartment bewohnt, dass ich aufbrechen lassen will.“ „Wir sollten den Teufel nicht an die Wand malen.“ Logan räusperte sich und forderte den älteren Mann auf, voraus zu gehen.


    Schweigend stiegen die drei Männer hoch in den dritten Stock des Gebäudes. „Der Mieter heißt Townshend. Henry Townshend. Er hat mir in den zwei Jahren, die er hier wohnt noch nie irgendwelche Probleme bereitet, deshalb macht es mir ein wenig Sorgen. Außerdem…“ Er verstummte kurz, schaute auf den Werkzeugkoffer in seiner rechten und schien darüber nachzudenken ob er seine Gedanken aussprechen sollte. „Es wäre nicht das erste Mal, dass der Besitzer des Apartments plötzlich verschwindet.“ Logans junger Kollege hakte neugierig nach. „Verschwunden?“ Der Hausmeister nickte langsam. „Ja. Der Vormieter ist auch eines Tages nicht mehr aufgetaucht.“ Er verstummte und sie betraten die Treppe zum nächsten Stockwerk. „Um welches Apartment geht es denn?“ „302.“ Logans Schritte wurden langsamer. „302?“ Die Nummer kam ihm plötzlich so vertraut vor. Er wusste nicht woher, aber es schien ihm, als wäre es nicht das erste Mal, dass er diese Nummer hörte. „Unsinn.“, murmelte er und schüttelte den Kopf, beschleunigte seine Schritte etwas und holte wieder auf.

    Vier weitere Polizisten waren bereits im Apartmentflügel. Logan nickte den beiden zu, sein Kollege tat das gleiche. „Guten Abend.“ Einer der drei trat hervor. „Commissioner Logan, wir sind gerade mit der Beweissicherung hier fertig geworden.“ Angesprochener nickte nur und ging dann mit Sunderland und seinem Polizeikollegen ein Apartment weiter. Er musterte die Tür genau, entdeckte jedoch keine Auffälligkeiten. Er schaute durch den Türspion in die Wohnung. „Hm… alle Lichter sind aus.“ Er klopfte einige Male fest gegen die Tür. „Aufmachen, hier ist die Polizei.“ Einige Minuten erfüllte Stille den Gang. Die vier anderen Polizisten kamen interessiert näher. Sunderland trat zu Logan. „Ich werde das Schloss aufbrechen…“ Er zog das benötigte Werkzeug aus dem Koffer und kämpfte einige Minuten mit dem Schloss, ehe er zurücktrat. „Fertig.“ Logan ging zur Apartmenttür und umfasste den Knauf mit einer Hand, die andere legte er sicherheitshalber an seine Pistole. Auffordernd schaute er seine Kollegen an. Drei, darunter Carney, traten vor und nickten. Auch sie hatten die Hände schon am Holster. Vorsichtig zog Logan die Tür auf. „Hier ist die Polizei. Ist jemand zu Hause?“

    Langsam traten sie ein. „Sind sie hier, Mr. Townshend?“ Er ließ die Tür los und trat in das Apartment ein. Die Polizisten folgten ihm langsam. „Mr. Townshend?“ Vorsichtig trat er um die Ecke. Einer der Polizisten öffnete die Tür rechts hinter ihm. „Nichts.“ Carney trat zur Tür links im Flur, Logan selbst öffnete vorsichtig die Tür zu seiner rechten. Er öffnete sie und fand… das Badezimmer. Leer. Hinter sich hörte er seinen Kollegen plötzlich aufschreien. „Oh mein Gott!“ Sofort drängte er sich an ihm vorbei und trat in das Schlafzimmer. Er zuckte zurück. „Was zur…“ Was er vor sich sah war eine einzige Sauerei. Überall war Blut, auf dem Boden, an den Wänden, auf dem Bett – darauf eine Leiche, die völlig unkenntlich war. Es sah so aus, als hätte man ihr förmlich die Haut abgezogen. Schnell griff Logan zu seinem Funkgerät am Gürtel. „Hier Commissioner Logan. Zentrale, bitte kommen.“ Doch es kam keine Antwort. „Zentrale, bitte kommen!“ Wieder nichts. „Was zum…“ Er starrte erst auf das Funkgerät und steckte es dann grummelnd wieder fest. Inzwischen waren auch die drei anderen Polizisten eingetroffen. Carney presste seine Hand gegen seinen Mund. Sein Magen drehte sich fast um und ihm wurde übel. Seine Kollegen versuchten gefasst zu sein, aber auch sie waren leichenblass geworden. Logan wandte sich um: „Funktionieren eure Funkgeräte?“ Es wurde probiert und gedrückt, alle kamen zum gleichen Ergebnis: Sie funktionierten nicht.

    Logan massierte seinen Nasenrücken mit einer Hand. „Irgendjemand muss Verstärkung rufen.“
    Langsam löste sich einer der fünf aus der Gruppe und rannte aus dem Apartment. Sunderland konnte ihm gerade noch ausweichen und trat dann selbst ins Apartment hinein. Ein Polizist kam ihm entgegen. „Nein, gehen sie wieder raus.“, seine Stimme war zittrig und so wusste der Hausmeister sofort, dass es eine weitere Leiche gab, die in seinem Apartmentkomplex gefunden worden war.
    Er versuchte gefasst zu bleiben und wollte sich gerade umdrehen, da schlug plötzlich die Apartmenttür zu.


    Erschrocken drehte er sich zur Tür um. Plötzlich hingen schwere Ketten an der Tür und blockierten trotzig den Weg zum Flur. Der Polizist schob ihn unsanft zur Seite. „Scheiße, was soll das?“ Er rüttelte an den Ketten und rief mit dem Lärm seine Kollegen auf den Plan. Logan trat vor. „Was ist hier los!?“ Da fiel sein Blick auf die Tür. „Was… zum…?“ Vorsichtig fasste er eine der Ketten an. Da spürte er von einem auf den anderen Moment starke Kopfschmerzen. „Argh.“ Seine Hand ging zu seiner Stirn. Auch seine Kollegen schienen die Kopfschmerzen zu spüren, ein jeder hielt sich die Stirn. Es schien ihm, als könne er von weit entfernt Sirenen hören. Sein gepeinigter Blick huschte zu seinen Kollegen. Einer nach dem anderen ging in die Knie. Sunderland fasste sich an die Brust, die Augen vor Schreck und Schmerz weit aufgerissen und ging ebenfalls in die Knie. Das Licht flackerte auf, verdunkelte sich, wurde rötlich. Geschockt musste Logan mit ansehen, wie die Wände verdreckten und sich überall Rost bildete, als würde der Ort binnen Sekunden um tausend Jahre altern. Ein Polizist nach dem anderen fiel vorne über und blieb keuchend liegen. Logan starrte auf sie, wusste nicht, zu wem er als erstes sollte. Er war kaum in der Lage richtig zu denken, die pochenden Kopfschmerzen waren unerträglich. Sunderland – der Zivilist zu erst. Er ging in die Knie und robbte zu Sunderland, der an der Wand anlehnte. Seine Gesichtszüge waren verzerrt und doch… Logan fühlte den Puls. Der ältere Mann war tot. Er robbte zu seinen Kollegen, doch einer nach dem anderen starb ihm in den Händen weg. Zuletzt Carney. Der junge Polizist verkrampfte sich und schien mit allen Mitteln gegen den plötzlichen Tod ankämpfen zu wollen, dann war es vorbei. Die Luft wurde schwer und stickig. Es schien ihm, als würde er keinen Sauerstoff aufnehmen, wenn er einatmete. Schritte drangen an seine Ohren. Mühsam drehte er sich um, ließ sich gegen die Tür sinken. Die Ketten stachen in seinen Rücken, doch er spürte es kaum, dafür schmerzten seine Gliedmaßen plötzlich zu sehr. Schweiß trat auf seine Stirn.

    Die Schritte wurden langsamer. Dann trat ein Mann in den Wohnbereich. Sein langes, blondes Haar fiel verschmutzt und blutbesudelt auf seine Schultern. Ein abwesendes Lächeln zierte seine Lippen und ebenso abwesend wirkende grüngraue Augen starrten ziellos geradeaus. Der Mann blieb stehen und wandte sich dann langsam zu Logan um. Er legte den Kopf leicht schief und schaute zu ihm herunter. Und da erkannte Logan in. „Du… Walter Sullivan.“ Das Lächeln wurde ein wenig deutlicher und er nickte. Der Polizist versuchte gar nicht erst zu verstehen was vor sich ging. Die leise Stimme des Mörders drang an sein Ohr. „Niemand wird mich daran hindern zu Mutter zu kommen.“
    Und da spürte Logan plötzlich einen stechenden Schmerz in seiner Brust. Ein Herzinfarkt? Unmöglich! Ein schmerzverzerrtes Keuchen kam über seine Lippen. Er wollte noch nicht sterben. Nicht so. Irgendwo in seinem von Schmerzen verschleierten Bewusstsein merkte er noch, wie die Ketten in seinem Rücken plötzlich verschwanden und die Tür sich einfach öffnete. Er fiel nach hinten und in diesem Moment erfasste die erlösende Schwärze ihn.


    Draußen vor dem Apartmentkomplex hatte der letzte der Polizisten derweil das Polizeiauto erreicht. „Wagen 021, bitte kommen.“ Er schnappte sich außer Atem das Funkgerät. „Hier Officer McGirk.“ Es knisterte kurz in der Leitung. „Holen sie Commissioner Logan.“ Er schnaufte erneut nach Luft. „Er ist nicht hier. Aber ich brauche Ver-“, doch er kam nicht zu Wort. „Das fünfte Opfer ist eben gestorben.“ McGirk nahm die Nachricht kaum wahr. „Ich brauche Verstärkung.“ Er schluckte. „Hier ist eine Leiche und wir brauchen die Spezialisten.“ Da war es kurz still in der Leitung. „Wo sind sie?“ „South Ashfield Heights.“ „Verstärkung ist unterwegs. Over.“ Er hängte das Funkgerät wieder ein und machte sich sofort auf den Weg zurück zu Apartment 302…




    „Erneut haben wir eine Eilmeldung erhalten… Fünf unbenannte Polizeioffiziere wurde aus bisher unbekannten Gründen tot in den South Ashfield Heights aufgefunden, zusammen mit dem Hausmeister Frank Sunderland.

    Alle anderen Bewohner der South Ashfield Heights wurden zum St. Jeromes Hospital gebracht, einige von ihnen über schwere Brustschmerzen klagend.
    Diese seltsamen Vorfälle ähneln denen, die vor einigen Jahren in Silent Hill geschahen.

    Weitere Nachrichten folgen.“



    Walter starrte lächelnd zu Boden, als er die Nachrichten vernahm. Sein jüngeres Ebenbild rollte sich glücklich auf dem Sofa ein. Er hatte sein Ziel erreicht – er war endlich mit seiner Mutter vereint. Und doch… Das Lächeln wurde dünner. Es war nicht so, wie er es sich erhofft hatte…

    Edit: Einen kleinen Fehler [falsche Klammer] berichtigt.

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