Wärmegewitter

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      Wärmegewitter

      Eine kleine Story, die ich mir neulicha auf dem Heimweg ausgedacht habe.
      Ist mehr ein Fragment, wird aber wohl nie zuende geschrieben werden ^^



      Die Nacht war schwül und das Klima feucht. Er war gerade auf dem Heimweg – einen mit seinen Freunden drauf gemacht, ein paar Filme gesehen, etwas Alkohol getrunken, die typischen Partys unter der Woche, wenn man sonst nichts besseres zu tun hatte.
      Der Halbmond spendete etwas Licht, aber die Straßenlaternen waren in diesem Ortsteil in der Regel zuverlässiger. Von einem der Gärten schlich ein Schatten auf ihn zu. Er blieb abrupt stehen, ging in die Hocke und streichelte das weiche Fell der Katze, die einem seiner besten Freunde gehörte. Der arme Tropf konnte sechs Wochen lang kein Skateboard fahren. Insgeheim wusste er, dass das Skateboard seinen Freund irgendwann umbringen würde, während er die Katze streichelte. Am Horizont nahm er ein kurzes Blitzen wahr.
      Wärmegewitter… na super.
      Die ersten Tropfen ließen nicht lange auf sich warten, daher verabschiedete er sich von seiner einzig richtigen Freundin und nahm einen Trampelpfad an einem der Gärten vorbei, die für gewöhnlich in dieser Gegend um die Häuser herum lagen. Dann kam er auf die Hauptstraße, an jeder Straßenseite eine kleine Bushaltestelle. Die Intensität des Regens war still, aber drohend.
      Reflexartig sah er nach links, dann nach rechts, wieder nach links und obwohl um diese Zeit wohl kaum ein Auto gekommen wäre und er schon sowieso zur Hälfte über der Straße war, sah er ein letztes Mal nach rechts. Ein Schock fuhr durch seinen Körper und er blieb stehen. Sein Blick blieb an dem Mädchen hängen, das am Straßenrand hockte und zitterte.
      Ihre Blicke trafen sich.
      „Du?“, stammelte sie und er schüttelte den Kopf.
      „Was zum Teufel treibst du hier?“, rief er und ging schnellen Schrittes auf sie zu.
      „Du… du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dich zu sehen…!“
      Ihre Augen waren feucht. Vorsichtig berührte er ihre Oberarme und fühlte das schwarze Leder ihrer Jacke. „Was ist passiert?“
      „Ich… ich weiß nicht, was ich…“, jammerte sie.
      „Komm, wir müssen hier weg. Es fängt gleich zu regnen an.“
      „Ich kann nicht… ich will nicht weg.“
      Sie schien sich aus irgendeinem Grund nicht rühren zu können. Er zweifelte daran, dass der Grund physischer Natur war, daher drehte er sich um. „Leg die Arme um meinen Hals, los. Ich trage dich.“
      Zögernd tat sie, wie er es ihr befahl und im nächsten Moment hatte er sie Huckepack genommen. Dann überquerte er die Straße.
      „Ich bring dich erstmal ins Trockene. Das wird ein böses Gewitter. Was machst du eigentlich so spät noch hier draußen auf der Straße? Was ist passiert?“, fragte er besorgt.
      Sie schwieg, bis auf ein leises Schluchzen, das sich immer und immer wieder fortsetzte, ohne Ende in Sicht. Als er durch die finstren Gassen lief, streifte sein Blick reflexartig die unheimlichen Gärten der Häuser um sie herum. Er hatte diesen Spähblick nie ablegen können.
      „Ich bring dich heim… keine Sorge.“
      „Nein! Nicht heim!“, rief sie und verstärkte den Griff um seinen Hals. „Alle tot…!“
      „Wie bitte?“, fragte er und blieb ein drittes Mal an diesem Abend augenblicklich stehen. Das war für seinen Geschmack einmal zu viel. „Wie meinst du das?“
      „Sie sind gekommen… und haben… meine Eltern getötet!“, jammerte sie. „Mich wollen sie auch!“
      Das Mädchen wohnte in seiner Nachbarschaft. Daher hielt er es für sinnvoller, nicht die gewöhnliche Route einzuschlagen. So ging er an der nächst besten Abbiegung vorbei und nahm einen Trampelpfad hinter den Häusern, an den noch einige einzelne Gärten grenzten. Der Weg war steinig und nicht für den Verkehr geeignet. Nur die Gärtner und Landwirte hatten mit ihren Geräten Zufahrt. Unglücklicherweise kamen sie auch auf der Rückseite ihres Hauses vorbei. Und was er dort sah, ließ das Blut in seinen Adern gefrieren.
      „Sie sind da…!“, schluchzte sie. „Du musst hier weg!“
      „Zu spät.“, seufzte er und sah sich nach einem Versteck um. Hier gab es keine Straßenlaternen, daher konnte er sich im Schatten eines großen Nadelbaums verstecken, der aus einem Garten auf den Weg herauswuchs.
      „Deine Hose.“, flüsterte sie. „Sie ist weiß. Sie werden sie sehen!“
      In der Tat hatte er eine kurze, helle Hose an. Als er sah, wie die gestalten immer näher kamen, hockte er sich kurzerhand in den Schatten des Nadelbaumes, zog seine Hose aus und warf sie über den Zaun. Dann drückte er sie an sich und versuchte sie zu beruhigen. Er musste ihren Puls nicht spüren, um zu realisieren, welche Panik sie in diesem Moment empfand. Seinen eigenen Puls spürte er natürlich selbst.
      Als sie begann lauter zu schluchzen, zog er ihre Lederjacke aus und verhüllte seinen und ihren Kopf darunter. Im Dunkeln kam er ihr ganz nah, berührte ihre Nase mit seiner und flüsterte: „Ganz ruhig… alles wird gut…“
      Nach einiger Zeit waren die Gestalten an ihnen vorbeigegangen. Er zog ihr die Jacke wieder an, nahm sie Huckepack und überquerte eine alte Holzbrücke, die über einen Bach in seinen Garten führte. Im unteren Stockwerk war er zuhause. Er setzte sie ab und kramte nach seinem Schlüssel. Was war er froh, wenn er jetzt in seinen eigenen vier Wänden sein konnte. So sicher würde er sich fühlen, wenn…
      „Hab ich euch!“
      Er schreckte herum und sah einen schwarz gekleideten Kerl, der gerade die Treppe neben des Hauses heruntergestiegen war, die zu seinem Eingang führte. Der Unbekannte schlug mit einem Stahlrohr zu. Sein Unterarm schnellte zur Verteidigung nach oben, doch beim Aufprall schien er sich den Arm verletzt zu haben. Einen weiteren Schlag mit dem Rohr wehrte er nicht mit den Knochen, sondern dem Muskel des Unterarms ab. Diesmal reagierte er zeitig, packte das Rohr, zog den Kerl an sich herum und schlug ihm seinen Ellebogen ins Gesicht. Dann wandte er sich zur Tür, steckte den Schlüssel in das Loch und begann wie wild zu drehen.
      Die Tür entriegelte sich, er riss sie auf und zog sie hinein. Bevor er die Tür jedoch schließen konnte, warf sich der Angreifer zwischen Tür und Rahmen. Er drückte so fest es ging die Tür zu, während sie zu schreien begann.
      „Schraubenschlüssel!“
      Sie sah sich kurz um und sah das Instrument, das auf dem kleinen Kühlschrank lag – vermutlich ein Überbleibsel der letzten Reparatur. Sie gab ihm das Teil in die Hand und er drosch es direkt auf die Hand des Angreifers. Das bevollmächtigte ihn, die Tür ganz zu schließen. Blitzartig schloss er ab, ehe er die Scheibe im Nachbarzimmer klirren hörte. Er nahm die Beine in die Hand, rannte in seinen Freizeitraum und ließ den Rollladen direkt auf die Finger des Verbrechers fallen, der die Scheibe eingeschlagen hatte. Schnell reagierte er, rannte in den Flur und in sein Schlafzimmer, ließ dort die Rollläden herunter, genauso wie im Büro seines Vaters, das auf der selben Etage lag. Nur die Toilette hatte keine Fenster – nur einen Schacht, der nach oben vor den Haupteingang des Hauses führte.
      Er dachte stark nach, was zu tun sei. Das Mädchen lag immer noch zusammengekauert im Vorraum, wo jemand mit einem mächtigen Werkzeug gegen die Tür hämmerte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis…
      Plötzlich wurden seine Gedanken durch das Klingeln seines Handys unterbrochen.
      „Wer da?“
      „Hallo… Ich bin ganz in der Nähe.“
      Er sah sich um, aber dass der Anrufer in unmittelbarer Nähe war, war vollkommen unmöglich. „Woher haben sie meine Nummer?“
      „Herausgefunden. Genauso wie die Nummer deines Vaters.“
      „Wo sind sie?“, rief er wütend.
      „Willst du zu ihnen? Du musst nur die Tür öffnen, dann kann ich ein Treffen arrangieren. Wenn du jedoch dein Leben retten willst, schlage ich dir einen anderen Handel vor.“
      „Reden sie weiter.“
      „So gefällst du mir schon besser. Meine Männer werden gleich bei euch sein. Wenn sie da sind, übergib mir das Mädchen. Ich brauche sie. Wenn du das tust, garantiere ich dir dein Leben. Wie sieht’s aus? Tauscht du die Kleine?“
      „Wie wär’s, wenn sie mir den Arsch lecken?“
      Stille am anderen Ende der Leitung. Dann: „Tut mir leid… unser Handel wird wohl nicht zustande kommen.“ Nachdem diese Worte gesprochen waren, war die Leitung tot. Einen Moment später brach jemand die Scheibe im oberen Stockwerk ein.
      „Wer war das am Telefon?“, rief sie entsetzt.
      „Dein heimlicher Verehrer.“
      „Was wollte er? Was hast du ihm gesagt?“, jammerte sie panisch. „Was hast du jetzt mit mir vor?“
      Er überlegte einen Moment, sah sich um, konnte keine Lösung finden. Im oberen Stockwerk hörte er Schritte. Der einzige Raum, der auf seinem Stockwerk verschließbar war, befand sich hinter ihnen. Die Toilette, die eine Feuerschutztür weiter in den Heizungsraum führte.
      Er packte das Mädchen am Arm und zog sie in die Toilette. Dann schloss er ab und kletterte auf den Wäschetrockner, um die Abdeckung des Schachtes zu öffnen.
      Sehr eng… das wird knapp werden.
      Er zwängte sich hindurch und hob das Gitter aus den Angeln, das den Weg in die Freiheit versperrte. Dann sah er, wie sie sich hinter ihm her zwängte. Genau im richtigen Moment, denn die Tür zum Bad wurde mit Gewalt aufgebrochen.
      „Weg hier!“, schrie sie entsetzt, aber er zerrte sie nicht auf die Straße, sondern in den Garten.
      „Nicht! Sie würden erwarten, dass wir das Weite suchen.“
      Mit diesen Worten zog er sie in die Büsche und drückte sie ganz fest an sich. Ihr Gesicht war gegen seine Brust gedrückt, damit sie nichts und niemanden sehen musste. Keine der zwielichtigen Gestalten, die auf seinem Grundstück herum liefen. Die ihm alles genommen hatten, was ihm lieb war. Und ihr.
      Die Äste und Dornen kratzten und stachen an seinen Beinen. Hätte er sich doch noch eine Hose angezogen. Aber das war jetzt unwichtig. Auch nachdem lange keiner dieser Menschen mehr in Sichtweite war und die Sonne langsam aufging, rührten sie sich kein Stück. So lange sie in diesen Büschen saßen, waren sie sicher.
      „Denkst du, sie sind weg?“, flüsterte sie ängstlich.
      „Gute Frage… ich denke, sie könnten ich immer noch im Umkreis des Hauses aufhalten, um sicherzustellen, dass wir nicht doch hier geblieben sind.“
      Ohne Worte kuschelte sie sich weiter an ihn. Dann hob sie ihren Kopf und berührte mit ihren Lippen seine. „Ich bin froh, dass du bei mir bist.“


      (c) Julian Jungermann, 22. Juli 2009

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